Bis 2030 will jedes zweite Unternehmen klimaneutral werden, so ein Ergebnis der Staufen-Studie „Green Transformation im Maschinen- und Anlagebau“. Ob das ein realistisches Ziel ist, erläutert Branchenmanager Dr. Björn Falk im Gespräch mit Staufen-Principal Canan Jungel.
Die Entwicklung zum nachhaltigen Unternehmen ist das eine, die dafür passende Strategie parat zu haben, das andere. So zeigt die Studie „Green Transformation im Maschinen- und Anlagenbau“, dass bislang nur jedes dritte Unternehmen in Deutschland eine klare Strategie für den grünen Wandel vorweisen kann. Fehlt den Unternehmen das nötige Engagement?
Nachhaltigkeit liegt häufig in der Verantwortung der Unternehmerpersönlichkeiten
Dr. Björn Falk, der als Branchenmanager bei der Staufen AG die Befragung von mehr als 150 Unternehmen aus dem deutschen Maschinen- und Anlagenbau geleitet hat, überrascht das Ergebnis der Studie nicht, denn für ihn ist der grüne Wandel auch eine Frage der Einordnung. Gerade im mittelständischen Maschinenbau seien zahlreiche Ziele weniger in der Strategie als vielmehr in der Unternehmenskultur verankert. So sei das Ziel der Nachhaltigkeit häufig Teil der Verantwortung, die eine Unternehmerin oder ein Unternehmer trage.
Unternehmen müssen Transparenz schaffen
Doch auch wenn die Unternehmen nicht ausdrücklich von Nachhaltigkeit sprächen, würde diese in der aktuellen Krise durch die Themen Energie und Material getrieben: „Die Frage ist, ob die aktuellen Maßnahmen unter Nachhaltigkeit abgeheftet werden können oder ob es momentan eher darum geht, mit dem Kostendruck klarzukommen, der die Unternehmen durch die erhöhten Energiepreise maßgeblich beeinflusst“, sagt Falk. Um den Kostendruck zu mindern, sei es zunächst wichtig, Transparenz zu schaffen: Vielen Unternehmen fehle teilweise der Blick für die Frage: „Wie nachhaltig oder wie energieeffizient, wie ressourceneffizient arbeite ich denn?“
Für die notwendige Transparenz müsse der gesamte CO2-Ausstoß von den Maschinen und Anlagen über die Gebäude und Dienstwagen bis hin zur Lieferkette bestimmt werden. Björn Falk: „Dazu gehört aber dann natürlich auch das ganze Thema Energieeffizienz. Wie sieht mein Energieverbrauch aus? Wie hoch sind die Emissionen? Wie verändern sich die Kosten dafür? Aus welchen Quellen beziehe ich Energie?“ Material und Recycling ist nach Ansicht des Maschinenbau-Experten das dritte wichtige Thema: „Wie hoch sind beispielsweise die Anteile an wieder zugeführten Materialien, die ich nutzen bzw. wieder aufbereiten kann? Wie kann ich aus Bestehendem oder Gebrauchtem möglicherweise noch mal was in die Wertschöpfungskette einfließen lassen? Das sind alles Beispiele, die da eine Rolle spielen.“
Grüner Wandel durch mehr Druck auf die Lieferkette
Über die Themen Energie und Material hätten Unternehmen einen großen Hebel, um auch in der Lieferkette den grünen Wandel voranzutreiben. Denn die Staufen-Studie zeigt, dass bislang erst jeder vierte Maschinenbauer seine Lieferanten nach ökologischen Gesichtspunkten aussucht. Björn Falk: „Wer sich da jetzt schon richtig aufgestellt hat, der kommt auch ein bisschen besser durch die aktuelle Energiekrise.“
Neue Geschäftsmodelle für den grünen Wandel?
Ob sich Maschinenbauer für den kompletten grünen Wandel neu aufstellen und ihr Geschäftsmodell ändern müssten, wollte Canan Jungel von ihrem Gesprächspartner wissen. Björn Falk: „Möglichkeiten, das Geschäftsmodell zu verändern, werden mit Sicherheit einen großen Einfluss haben. Aber ich glaube nicht, dass das der einzige Weg ist.“ Es gebe auch über die Themen Effizienz und Verschwendungsfreiheit genügend Möglichkeiten, dem Thema Nachhaltigkeit gerecht zu werden. Unternehmen müssten immer in der jeweiligen Situation entscheiden, was das größte Potenzial biete.
Und das Ziel, dass bis 2030 jedes zweite Unternehmen im Maschinenbau klimaneutral arbeiten möchte? „Also ich würde das als sportlich bezeichnen“, meint Björn Falk. Momentan gebe es mit Lieferengpässen, Materialknappheit und Personalmangel drängende Themen, mit denen sich die Unternehmen beschäftigen müssten und die das Thema Nachhaltigkeit wieder ein wenig in den Hintergrund rücken lassen würden, so der Maschinenbau-Experte. Vom Tisch ist das Ziel aus seiner Sicht damit aber noch lange nicht: „Wenn ich Energiekrisen und Materialkrisen in irgendeiner Form begegne, lokaler werde, beispielsweise in meinen Lieferketten, entwickle ich mich ja bereits hin zum nachhaltigen Unternehmen. Und deswegen glaube ich schon, dass es ein mögliches Ziel ist, 2030 bis 2035 viele Unternehmen in diesen nachhaltigen oder klimaneutralen Bereich zu bekommen.“
Canan Jungel
PrincipalSTAUFEN.AG
Canan Jungel ist seit 2014 als Beraterin, Coach und Trainerin im internationalen Projektumfeld bei der Staufen AG im Einsatz und begleitet Lean-Transformationsprojekte in direkten und indirekten Bereichen unterschiedlichster Branchen. Seit 2021 setzt sie als Head of Supply Chain Network Management (SCNM) hauptverantwortlich Supply-Chain-Projekte im nationalen und internationalen Umfeld um.
Zu ihren Referenzen zählen u. a. globale Supply-Chain-Projekte, die ganzheitliche Gestaltung und Implementierung von Bestandssenkungsprogrammen für 1st-Tier-Automotive-Zulieferer, die standortübergreifende Einführung von Shopfloor Management in direkten und indirekten Bereichen, die Optimierung von Produktionssystemen sowie die Implementierung von Logistiksystemen und Steuerungskonzepten. Ihre Expertise als Trainerin stellt Canan Jungel bei der Konzeption und Durchführung von Lean-Experten-Trainings sowie kundenspezifischen Qualifizierungsprogrammen im Rahmen der Staufen Akademie unter Beweis.