Der gesellschaftliche und politische Druck auf die Automobilindustrie, beim grünen Wandel endlich einen Sprung nach vorn zu machen, wächst. Doch ausgerechnet die etablierten Hersteller – lange Zeit auf vielen Feldern Vorreiter für andere Industrieunternehmen – laufen der Entwicklung noch immer hinterher, wie die Staufen-Studie „Green Transformation in der Automobilindustrie“ zeigt. Warum das so ist, erläutert der Automotive-Experte Dr. Thomas Buchholz im Gespräch mit Staufen-Berater Dr. Björn Falk.
Nachhaltigkeit und grüner Wandel durch Elektromobilität ist das große Thema in der Automobilindustrie. Auch die deutschen Hersteller arbeiten mit Hochdruck daran, hier weiterzukommen. Doch bislang konnten sie die Lücke zu den Vorreitern in der Branche noch nicht schließen, erklärt Dr. Thomas Buchholz: „Die Zeichen der Zeit sind sicherlich erkannt, aber es braucht eine gewisse Zeit, um die Dinge umzusetzen.“
E-Mobilität: Automobilhersteller müssen im Volumensegment nachlegen
Wie bei allen Neuerungen habe die Branche zunächst im Premiumsegment begonnen, wo das Preisniveau besser ist. Im Volumensegment, also Wagen der Golfklasse und darunter, habe sich die Branche mit ihren Strukturen dagegen lange Zeit schwergetan mit der Wettbewerbsfähigkeit. Der Grund: „In der Start-up-Branche kann man komplett neu anfangen und andere Konzepte entwickeln“, so Buchholz.
Die etablierten Hersteller hätten dagegen klassische Plattformen genutzt und eine Batterie sowie einen Elektromotor eingebaut, das sei suboptimal: „Erst jetzt kommen so langsam die Modelle, die komplett neu in Richtung Elektrofahrzeug entwickelt wurden, um dann auch wirklich deren Vorteile zu nutzen.“
Nach Abschluss des Masterstudiums an der Yale University war der promovierte Ingenieur in unterschiedlichen Top-Management-Funktionen börsennotierter Automobilzulieferer tätig. So blickt er unter anderem auf 16 Jahre als technischer Geschäftsführer und Vorstandsmitglied der MAHLE GmbH in Deutschland und Brasilien sowie auf eine mehrjährige Karriere als Geschäftsführer der TI Automotive GmbH in Heidelberg zurück.
Klimaneutralität: Der Handlungsdruck in der Lieferkette steigt
Die „Studie Green Transformation in der Automobilindustrie“ zeigt zudem, dass neun von zehn Unternehmen bei sich noch viel ungenutztes grünes Potenzial sehen, insbesondere bei der CO2-Reduzierung. Für den Automotive-Experten Buchholz eines der ganz großen strategischen Themen der Industrie insgesamt und insbesondere des Automotive-Sektors: „Die Automobilindustrie und die Zulieferer müssen irgendwann alle CO2-neutral werden.“
Während das Thema Nachhaltigkeit und Klimaschutz bei den Herstellern bereits angekommen sei, hätten viele Zulieferer noch Probleme, sich dem zu stellen. Doch auch in der Lieferkette müsse über kurz oder lang eine CO2-Neutralität dargestellt werden. Da komme Kosten- und Handlungsdruck auf die Lieferanten zu.
Ich kann eigentlich nur jedem Unternehmer empfehlen, sich dem Thema CO2-Footprint zu stellen und eine Strategie zu entwickeln. Das ist keine Geschichte, die sich über Nacht realisieren lässt. Es dauert Jahre, um entsprechende Effekte zu erzielen.
Dr. Thomas buchholz, Senior Advisor, Staufen.ag
Anhand von Meilensteinen könnten die Zulieferer den Herstellern plausibel darstellen, dass sie sich auf dem richtigen Weg befänden und wann entsprechende Ziele erreicht würden.Neben der Klimaneutralität seien auch Recycling und Kreislaufwirtschaft Mega-Trends in der Automobilbranche.
Aufgrund langfristig steigender Rohstoffpreise müsse man bereits zu Beginn darauf achten, „dass man die Produkte so entwickelt und designt, dass sie auch recyclefähig sind“. Zudem sei es wichtig, die Reinheitsgebote zu beachten: „Beim Recycling ist es extrem wichtig, dass man die Materialien wirklich sauber trennt, damit keine Verunreinigungen vorkommen.“
Moderation
Dr. Björn Falk
Branchenmanager Maschinenbau
STAUFEN.AG
Gesprächspartner
Dr. Thomas Buchholz
Senior Advisor / Automotive-Experte
STAUFEN.AG
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Der grüne Wandel ist nicht mehr aufzuhalten, diese Erkenntnis hat sich in der Branche durchgesetzt. Die Unternehmen sehen sich im Vergleich zu anderen Branchen sogar in einer Vorreiterrolle. Und trotz vieler Erfolge zeigt sich: Die Automobilbranche evolviert nicht über Nacht zu einer grünen Musterindustrie, es ist ein langer – und zum Teil auch schmerzhafter – Prozess. Aber die immer schärferen Auflagen und der wachsende gesellschaftliche Druck setzten einen Prozess in Gang, der immer mehr an Fahrt gewinnt.
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