Von der personalisierten Medizin bis zur KI-gestützten Bildauswertung – bei der Roche Diagnostic International AG ist Digitalisierung bereits ein fester Teil des Businessmodells. Dennoch ist Dr. Ralf Eisenbrandt, Head Global Operations Consumables, davon überzeugt, dass auch bei der digitalen Transformation weiterhin Sorgfalt vor Tempo gehen sollte.
Die Roche Diagnostics International AG ist eine Tochter der Roche Holding und hat ihren Hauptsitz in Rotkreuz (Kanton Zug). Das Unternehmen zählt zu den weltweit führenden Anbietern von Diagnosesystemen für Kliniken, Labore und Arztpraxen. Neben dem Hauptstandort in der Schweiz bestehen Niederlassungen in Mannheim, Penzberg und Ludwigsburg. Weitere Niederlassungen mit F&E-Aktivitäten bestehen in den USA.
Ein Expertenbeitrag zur Studie 2023 „Zukunft Industrie“
Im INterview mit Dr. Ralf Eisenbrandt, Head Global Operations Consumables bei der Roche Diagnostics International AG
Trotz schwächelnder Konjunktur hat laut der aktuellen Staufen-Studie fast jedes zweite Unternehmen neue Digitalisierungsprojekte angestoßen. Wie sieht es in Ihrer Branche aus?
Dr. Ralf Eisenbrandt: Auch wenn andere Branchen das Thema Digitalisierung sicherlich schon länger vorantreiben, zieht der MedTec-Sektor hier nun nach. Was Roche betrifft, kann ich sagen, dass große Teile des Businessmodells bereits auf eine digitale Zukunft abgestimmt sind.
Wie die Studie weiter zeigt, geht es bei den meisten Digitalisierungsprojekten um eine Steigerung der Effizienz. Nur jedes dritte Unternehmen denkt auch in Richtung neuer Geschäftsmodelle. Reicht das aus?
Dr. Ralf Eisenbrandt: Nicht alle Abteilungen in einem Unternehmen beschäftigen sich mit neuen Geschäftsmodellen. Es kommt also ganz darauf an, für welchen Bereich man dieses Thema betrachtet. In der Produktion, für die ich verantwortlich bin, nutzen wir die Daten in erster Linie für effizientere Prozesse in der Herstellung. In anderen Bereichen hat Roche aber sehr früh auf die Anwendung neuer Datenmodelle gesetzt. So wurde beispielsweise in den Bereich der personalisierten Medizin investiert.
Dr. Ralf Eisenbrandt
Vice President und Head Global Operations Consumables
Roche Diagnostics International AG
Dr. Ralf Eisenbrandt
Vice President und Head Global Operations ConsumablesRoche Diagnostics International AG
Dr. Ralf Eisenbrandt ist Vice President und Head Global Operations Consumables der Roche Diagnostics International AG. Der am Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik promovierte Ingenieur der Biotechnologie ist seit fast 20 Jahren für Roche tätig. Innerhalb des Konzerns hatte er bereits zahlreiche Führungspositionen in der Schweiz, Deutschland und Brasilien inne.
Mehr erfahrenStatt aufs Tempo zu drücken, sehen wir die bessere Möglichkeit darin, das Potenzial der Digitalisierung zu nutzen, indem wir uns schrittweise annähern.
Dr. Ralf Eisenbrandt
Head Global Operations Consumables, Roche Diagnostics International AG
Der Begriff Industrie 4.0 tauchte erstmals 2011 auf der Hannover Messe auf. Noch – auch das ein Ergebnis der Staufen-Studie – scheint das Potenzial der Digitalisierung in der Produktion aber bei Weitem nicht ausgereizt zu sein. Wie weit ist die Wirtschaft aus Ihrer Sicht auf dem Weg zur Smart Factory?
Dr. Ralf Eisenbrandt: Bei Produkten mit geringen Margen sehen wir den Fortschritt der Digitalisierung bereits sehr gut. Durch die Digitalisierung der Fabriken etwa in der Autoindustrie oder im Food-Sektor kommt es dort schon zu kürzeren Durchlauf- und Taktzeiten. Bei MedTec und Pharma sind wir noch nicht ganz so weit, aus den großen Mengen an Daten auch ein Optimierungspotenzial zu generieren.
Wie könnte insgesamt noch mehr Tempo in das Thema kommen?
Dr. Ralf Eisenbrandt: Statt aufs Tempo zu drücken, sehen wir die bessere Möglichkeit darin, das Potenzial der Digitalisierung zu nutzen, indem wir uns schrittweise annähern. Wir müssen also zunächst schauen, was wir am Ende des Tages haben wollen. Nämlich eine stabile, effektive und qualitativ hochwertigere Produktion. Die Digitalisierung gibt uns die Möglichkeit, diesen Sprung zu schaffen.
Fast scheint es, als gebe es bei der Digitalisierung eine Zweiteilung der Wirtschaft. Die eine Hälfte geht sehr offensiv damit um, während die andere Hälfte bei Test und Einzelprojekten verharrt. Stimmt dieser Eindruck?
Dr. Ralf Eisenbrandt: Hier darf man nicht vergessen, dass Digitalisierung Investition bedeutet. Unternehmen müssen Kapazitäten bereitstellen, um den Fortschritt zu finanzieren. Viele fragen sich deshalb, ob sich das für sie rechnet. Insbesondere, wenn die aktuellen Fabriken eine Restlaufzeit von 10 bis 20 Jahren haben und noch nicht abgeschrieben sind. Jedes Unternehmen muss deshalb für sich entscheiden, wann der richtige Zeitpunkt für ein Business Case ist. Andererseits verpassen Unternehmen eine Chance, wenn sie sich keine strategischen Ziele setzen, weil sie kein Interesse an Digitalisierung haben. Denn sie wird kommen, die Frage ist nur, wie schnell ein Unternehmen dabei ist.
Eine Frage zum Schluss. Keine andere Digitalisierungstechnologie hat in den vergangenen Monaten für so viel Aufregung gesorgt wie das Thema künstliche Intelligenz. Wie wird es hier aus Ihrer Sicht weitergehen?
Dr. Ralf Eisenbrandt: ChatGPT zeigt uns zum ersten Mal, was die Konsequenzen der KI sein können. In der Industrie können wir noch nicht abschätzen, was gerade für eine Revolution stattfindet. Es ist ein extremer Sprung, wie wir künftig auf Daten zugreifen und wie sie uns zur Verfügung gestellt werden.