Supply-Chain-Netzwerke: No Risk Management, no Fun 

staufen magazine 2023/2024 | No. 6 | TU Darmstadt | Supply Chain Network Management

Die zurückliegenden Multikrisenjahre haben gezeigt, dass die alleinige Fokussierung auf die Faktoren Zeit und Kosten zu kurz greift. Nur Unternehmen mit einem vernetzten und aktiv gesteuerten Supply Chain Network werden auch in Zukunft wettbewerbsfähig sein. 

Aktuell und in der Vergangenheit ist die Supply Chain stark kostengetrieben und für die meisten Unternehmen ist globales Sourcing fester Bestandteil der Einkaufsstrategie. „Schon vor der Multikrise hat sich aber gezeigt, dass dieser Ansatz nicht mehr trägt, und Unternehmen wieder stärker den local-for-local-Ansatz vorantreiben. Die globalen Wertschöpfungsnetzwerke vieler Unternehmen sind zu inflexibel, intransparent und risikoanfällig, um auf Bedrohungen reagieren zu können und damit lieferfähig zu bleiben“, sagt Canan Jungel, Head of Supply Chain Network Management bei Staufen. 

Ereignisse wie die Coronapandemie und der Krieg in der Ukraine haben die Versäumnisse der Hersteller nun schonungslos aufgedeckt. Schmerzhafte Auswirkungen von Lieferengpässen über Produktionsstopps bis zu Reputationsschäden und Schadenersatzforderungen waren die Folge. Auch die Ergebnisse der aktuellen Staufen-Studie „Zukunft Industrie“ zeichnen ein klares Bild. „Mehr als zwei Drittel der befragten Unternehmen sind derzeit mit ihrem Supply-Chain-Netzwerk nicht zufrieden“, so Staufen-Beraterin Jungel. 

Digitalisierung schlanker Prozesse als ein entscheidender Hebel 

Vor dem Hintergrund, dass die Komplexität in den Wertschöpfungsnetzwerken weiter zunehmen wird, befürchten die Unternehmen einen Verlust ihrer Wettbewerbsfähigkeit. Denn negative Auswirkungen und Einflüsse auf das Supply-Chain-Netzwerk lassen sich auch in Zukunft nicht vermeiden und führen zu neuen Herausforderungen und Engpässen, auf die mit den klassischen „Competitive Priorities“ allein keine Antwort gefunden werden kann. 

Doch wie kann die Effizienz im Netzwerk nachhaltig gesteigert werden? „Das geht nur mithilfe eines proaktiven Supply-Chain-Netzwerk-Managements. Es kennt die Wertschöpfungskette, baut ein resilientes Netzwerk auf und hat Strategien zur Risikovermeidung sowie zur Problemlösung parat“, führt Prof. Dr. Christoph Glock von der TU Darmstadt aus. In Zeiten, in denen Informationen in vielen Unternehmen noch immer in Excel-Listen erfasst und per E-Mail weitergeleitet werden, sind Arbeitsschritte fehleranfällig und Prozesse ineffizient. Im Störungsfall verlieren diese Unternehmen dann zu viel Zeit. 

Die Digitalisierung schlanker Prozesse ist ein entscheidender Hebel für mehr Resilienz im Netzwerk. „Wenn Prozesse digitalisiert sind, können Probleme früher erkannt und behoben werden. Informationen werden schneller geteilt“, so der Professor für das Fachgebiet Produktion und Supply Chain Management. Die Hersteller könnten dann Entscheidungen auf der Basis von Daten treffen, anstatt sich auf das Bauchgefühl von Einzelnen zu verlassen. Allerdings ist laut Glock die Datenqualität in vielen Fällen ein Problem. Eine geeignete Datenstrategie sollte daher zunächst regeln, wo Daten erhoben, gespeichert und verarbeitet werden. 

Aufbauend auf der Digitalisierung kann KI weitere Chancen im Supply-Chain-Netzwerk bieten. „Störungen werden dann besser vorhersehbar und identifizierbar, und darüber hinaus kann künstliche Intelligenz dabei unterstützen, Störungen bereits im Vorfeld vorzubeugen oder automatisiert Gegenmaßnahmen einzuleiten“, macht Wissenschaftler Glock deutlich. 

Canan Jungel

Principal

STAUFEN.AG


Prof. Dr. Christoph Glock

Professor im Fachgebiet Produktion und Supply Chain Management

TU Darmstadt

Das Supply Chain Network Management  als neue Vernetzungsplattform im Unternehmen

Damit das Supply-Chain-Netzwerk reibungslos funktioniert, muss es zudem mit den Kunden und Lieferanten vernetzt sein. Hier kommt dem Supply Chain Network Management (SCNM) eine neue Bedeutung im Unternehmen dort zu, wo es bisher meist eine eher untergeordnete Rolle spielte. Einkauf und Vertrieb sollen bisher vor allem Prozente herausholen und Produkte verkaufen. Strategisch richtig positioniert, wird das SCNM jedoch zur Vernetzungsplattform. Es hilft, die Prozesse mit den Lieferanten und Kunden voranzutreiben und diese noch besser zu verstehen. 

Ein Beispiel: Wingtra, ein Züricher Drohnen-Spezialist, beeindruckt mit enormen Wachstumsraten. Der Einkauf ist dort zentraler Ansprechpartner sowohl für den operativen Bereich als auch für die Entwicklung. Er ist von Anfang an in die Produktentwicklung integriert, um im späteren Produktzyklus weitere Effizienzpotenziale zu heben. Die Abteilung standardisiert Verträge und definiert klare Wiederbeschaffungsregeln. „Der Einkauf übernimmt aber auch die Beziehungspflege zu den Lieferanten. Wir schicken die Einkäufer zu den Schlüssellieferanten, um deren Prozesse mit den unseren besser zu verzahnen“, sagt Marco Schicker, COO der Wingtra AG. Das Unternehmen nutzt sein ERP-System, um Bestellungen auszulösen und Rahmenbedingungen zu definieren. 

Bei vielen anderen Unternehmen ist die Vernetzung mit den Lieferantenund Kunden während der Multikrise allerdings in den Hintergrund gerückt. Nur vier von zehn befragten Entscheidern gaben in der Staufen-Studie an, dass eine stärkere Steuerung und Vernetzung mit den Partnern derzeit ein Ansatzpunkt zur Effizienzsteigerung ist. 

Risikomanagement identifiziert kritische Knotenpunkte 

Politische, technologische, ökologische und soziale Risikofaktoren werden auf jeden Fall auch künftig erheblichen Einfluss auf Supply-Chain-Netzwerke haben. Nach Ansicht von Christoph Glock von der TU Darmstadt müssen sich Unternehmen auch jenseits globaler Krisen mit Störungen in der Wertschöpfungskette auseinandersetzen: „Das Risikomanagement sollte Bedrohungen proaktiv untersuchen und nicht warten, bis Probleme eingetreten sind, die dann nur mit hohem Aufwand zu lösen sind.“ Unternehmen, die die gesamte Wertschöpfungskette im Blick haben, können aufgrund der Transparenz in ihren Prozessen kritische Knotenpunkte identifizieren. So sind sie in der Lage, spezielle Sicherheitsmaßnahmen zu entwickeln, um auf Störungen schneller reagieren zu können. „Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, welche Risiken für ein Unternehmen am kritischsten sind. Dann kann man sich entscheiden, ob und mit welchen Maßnahmen man auf einzelne Risikofaktoren reagiert“, sagt Supply-Chain-Experte Marco Schicker von der Wingtra AG. Durch ein besseres Verständnis für die wichtigsten Unternehmensrisiken könnten Mitarbeitende im Alltag dann auch viel eigenständiger entscheiden. 

Gleichzeitig werden sich die Wertschöpfungsnetzwerke in den nächsten Jahren stark verändern, meint TU-Professor Christoph Glock: „Wir sehen in einigen Branchen einen Trend zum Nearshoring, weil man erstens die Risiken globaler Wertschöpfungsaktivitäten reduzieren will und weil man zweitens die Nachhaltigkeit der Wertschöpfung durch kürzere Transportwege verbessern möchte.“ Auch die Digitalisierung werde die Wertschöpfungsnetzwerke weiter beeinflussen. Glock ist sich gleichwohl sicher: „Die Relevanz des Netzwerkmanagements wird dadurch nicht geschmälert.“ 

Whitepaper Supply Chain Network Management 2023

Robustheit, Resilienz und Reaktionsfähigkeit stärken

Wie sieht das stabile Supply Chain Network von morgen aus? Eine Antwort auf diese und weitere Frage erhalten Sie in unserem Whitepaper.

JETZT DAS Magazin ALS DIGITALE VERSION ODER PRINTAUSGABE ANFORDERN

    Die mit * markierten Felder sind Pflichtfelder.

    Ich möchte das Staufen Magazine zusätzlich als Printexemplar bestellen

    Ihre Adresse

    Mit Klick auf "Magazine jetzt anfordern" willige ich ein, dass die Staufen AG meine Daten entsprechend der ­Datenschutzerklärung verwenden darf, um mir über diese konkrete Anfrage hinausgehende Informationen zu Produkten, Publikationen und Weiterbildungsangeboten per E-Mail, Direktnachricht, Newsletter oder Telefon zur Verfügung zu stellen. Der Verwendung meiner Daten für Werbezwecke kann ich jederzeit unter datenschutz@staufen.ag widersprechen oder eine erteilte Einwilligung widerrufen.

    das könnte Sie ebenfalls interessieren

    Abicor Binzel Schweißbrenner xFUME PRO 9204
    Magazine
    August 14, 2023

    KI im Supply Chain Network

    Dezentrales Wachstum führte bei ABICOR BINZEL zu Problemen im Supply-Chain-Netzwerk: Servicequalität und Marge sanken. Das Unternehmen setzte eine Software ein, um vorhandene Datensilos aufzulösen und den Datenbetrieb neu zu ordnen. Das hilft ihnen auch in der aktuellen Multikrise. Zudem setzt der Hersteller von Schneid- und Schweißbrennern bei der Absatzplanung auf künstliche Intelligenz.

    Mehr erfahren
    Magazine
    August 14, 2023

    Spurstabilität statt Achterbahnfahrt 

    Während der Pandemie kämpften alle Fahrradhersteller mit Supply-Chain-Problemen, da die Nachfrage vor allem nach E-Bikes stark anstieg. Flyer, ein Schweizer E-Bike-Hersteller, arbeitet nun daran, sein Supply-Chain-Netzwerk transparenter und widerstandsfähiger zu machen.

    Mehr erfahren

    Bleiben Sie auf
    dem aktuellen Stand.

    Zum Newsletter anmelden
    Staufen Back To Top Button