„In Europa wird kein Fahrzeug hergestellt, in dem nicht mindestens ein Teil aus Rumänien steckt.“ 

Montage Handwerker Monteur Rumänien
staufen magazine 2023/2024 | No. 6 | ACAROM | Supply Chain Network Management

Regionalisierung in der Supply-Chain

OEMs und Automobilzulieferer haben seit Ausbruch der Multikrise mit der Regionalisierung ihrer Supply Chains begonnen. Plötzlich stehen Länder wie Rumänien statt China wieder stärker im Fokus. Die Osteuropa-Expertinnen und -Experten der Staufen AG helfen Unternehmen, sich dort optimal aufzustellen. Im Gespräch erzählt Adrian Sandu, Generalsekretär des rumänischen Verbands der Automobilhersteller ACAROM, warum sein Land ein starker Standort ist. 

Herr Sandu, die Coronakrise hat gezeigt, wie fragil globale Supply-Chain-Netzwerke sind, und damit der stärkeren Regionalisierung einen Schub gegeben. Hat Rumänien davon profitiert? 

OEMs wie die Audi-Gruppe haben mittlerweile damit begonnen, Komponenten und Materialien von Zulieferern aus Rumänien in ihre Supply Chain zu integrieren. Dafür waren aber nicht nur logistische Probleme durch Covid wie etwa die Blockade chinesischer Häfen verantwortlich, sondern auch der Krieg zwischen Russland und der Ukraine. Aus der Ukraine wurden vor dem Krieg wichtige Kunststoffkomponenten geliefert. Das wirkt sich übrigens auf die gesamte Region aus, denn neben Rumänien suchen viele OEMs jetzt auch Zulieferer in Serbien und Ungarn. 

Wie werden sich die Supply Chains in Zukunft entwickeln? Wird sich der Trend zur Regionalisierung fortsetzen oder wird es die europäischen Hersteller und Zulieferer wieder zurück nach Fernost ziehen? 

Die Abwanderung begann während der Finanzkrise 2007/2008, weil es damals effizienter erschien, die Komponenten im Fernen Osten herzustellen. Jetzt beginnen die Zulieferer damit, die Produktion nach Europa zurückzuholen. Das betrifft sowohl Kunststoffteile als auch Batterien und elektronische Komponenten, insbesondere Halbleiter. In diesem Zusammenhang hat die Europäische Kommission einige Finanzprogramme gestartet, um Investoren anzuziehen. Große Zulieferer wie Bosch haben bereits angekündigt, dass sie die Produktion von Halbleitern und anderen elektronischen Komponenten in Europa entwickeln wollen. Dieser Trend muss sich fortsetzen, wenn Europa logistische Krisen wie in den letzten Jahren künftig verhindern möchte. 

Adrian Sandu

Generalsekretär

ACAROM Asociația Constructorilor de Automobile din România

Welche spezifischen Vorteile bietet Rumänien den Unternehmen, die dort investieren und produzieren? 

Rumänien hat noch immer die niedrigsten Arbeitskosten in Europa. Noch wichtiger ist aber unsere Tradition bei Zulieferprodukten. Im rumänischen Automobilsektor werden jährlich 41 Milliarden Euro Gesamtumsatz erwirtschaftet, mehr als 70 Prozent davon generieren die Zulieferer. Sie liefern die Teile für die OEMs in ganz Europa. Ich sage immer, dass kein Fahrzeug in Europa hergestellt wird, das nicht mindestens eine Komponente aus Rumänien enthält. Deshalb ist diese Tradition unser größter Vorteil. Wir haben bewiesen, dass wir jedes Teil in Rumänien herstellen können. Zudem sind wir effizient und haben die nötige politische, fiskalische und investitionspolitische Stabilität. 

In welchen Branchen ist Rumänien neben dem Automotive-Sektor noch besonders stark? 

Wichtige Sektoren sind IT und Elektronik. Aber wir sind auch in der Herstellung von Textilien, Möbeln und Transportmitteln wie Straßenbahnen und Lokomotiven stark. 

Wie wirkt sich der Wechsel hin zu elektrischen Antrieben im Automotive-Bereich aus? Wie positioniert sich Rumänien hier? 

Wenn die Industrie in erster Linie auf elektrische Antriebe setzt, werden sich die Zulieferer in Rumänien den Anforderungen der OEMs anpassen. Ford hat bereits angekündigt, ab 2024 vollelektrische Fahrzeuge in Rumänien herzustellen, Dacia will zunächst Hybrid-Fahrzeuge produzieren. 


Was wird in Rumänien unternommen, um neue Fachkräfte zu gewinnen? 

In ganz Europa herrscht Fachkräftemangel und jedes Land versucht, geeignete Lösungen zu finden. Rumänien hat zum Beispiel Partnerschaften mit Universitäten und Schulen, um junge Arbeitskräfte mit den notwendigen Fähigkeiten zu gewinnen. Zudem suchen wir in Moldawien, Serbien und Bulgarien nach Talenten, aber auch in Indien und Pakistan. 

Auf welche Regionen in Rumänien konzentriert sich die Automobilindustrie? 

Viele Zulieferer suchen abhängig von ihrer Produktion nach guten Verbindungen zu Autobahnen, Flughäfen oder Bahnhöfen, um sehr schnell liefern zu können. Die Automobilindustrie befindet sich vorwiegend im Westen und Süden Rumäniens. Insbesondere im Westen und Osten gibt es Regionen mit sehr vielen Arbeitskräften. Wer keine zeitnahen Lieferungen benötigt, kann dort Entwicklungszentren errichten. So wie Continental. Der Zulieferer ist mit 21.000 Mitarbeitenden der größte Arbeitgeber in diesen Regionen und unterhält vier Entwicklungszentren. Außer Continental betreiben auch Bosch, Renault und Siemens solche Zentren, in denen rund 15.000 Ingenieure und Ingenieurinnen beschäftigt sind. 

Wo gibt es in Rumänien noch Luft nach oben? 

Obwohl es schon Fortschritte gab, brauchen wir mehr Geschwindigkeit beim Aufbau von Infrastruktur und müssen bürokratische Hürden schneller nehmen. Vor dem Hintergrund, dass sich die Industrielandschaft durch Klimawandel und Elektromobilität ändern wird, stehen die Zulieferer vor neuen Herausforderungen. 

Das Unternehmen

Die Abkürzung ACAROM steht für Asociația Constructorilor de Automobile din România, also den rumänischen Verband der Automobilhersteller. Der Verband wurde 1996 gegründet. Er vertritt die nationalen und internationalen Interessen seiner Mitglieder, fördert Entwicklung und Innovation. Darüber hinaus bietet der Verband seinen Mitgliedern verschiedene Dienstleistungen an, zum Beispiel Marktanalysen und Schulungen. 

1996

Gegründet

170

Mitglieder

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