Interview

„Mit dem Ausbau der Kreislaufwirtschaft werden wir Systemgrenzen verschieben“

Interview
April 5, 2022 | Nachhaltigkeit

Der Druck auf die Industrie wächst: Politik und Öffentlichkeit drängen auf mehr Nachhaltigkeit, gleichzeitig treibt die Digitalisierung den Innovationszyklus immer schneller voran. Dr. Thomas Schneider, Geschäftsführer Entwicklung bei TRUMPF Werkzeugmaschinen in Ditzingen, erklärt im Interview, wie der Maschinenbau bei der Umstellung zur Kreislaufwirtschaft und dem Aufbau einer Green Factory unterstützt und wie sich die Geschäftsmodelle wandeln.

Ein Interview mit Dr.-Ing. Thomas Schneider, Geschäftsführer Entwicklung, TRUMPF Werkzeugmaschinen

Dr.-Ing. Thomas Schneider ist Geschäftsführer Entwicklung bei TRUMPF Werkzeugmaschinen in Ditzingen. Nach seinem Maschinenbaustudium mit Promotion am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) übernahm er diverse Positionen in der Entwicklung und leitete unter anderem die Entwicklung für Flugsteuerungs- und Betätigungssysteme bei einem Familienunternehmen. 2016 stieg er als Leiter Produktionsplattformen bei TRUMPF ein und verantwortet seit Anfang 2018 die Entwicklung im Geschäftsbereich Werkzeugmaschinen.

Herr Dr. Schneider, bei TRUMPF entwickeln agile Teams aus Mechatronikern, Informatikern und Maschinenbauexperten innovative Produkte. Wie gelingt die Verbindung zu den Themen Nachhaltigkeit und Klimaschutz? Integrieren Sie auch Nachhaltigkeitsexperten in den einzelnen Entwicklerteams?

Wir sind ein Technology-Push-Unternehmen, treiben den Wandel aktiv voran – dazu gehören auch die Themen Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Als große strategische Initiative der TRUMPF -Gruppe sind diese Bereiche in allen Unternehmensteilen verankert. Speziell auf die Entwicklung bezogen bestehen unsere Teams aus den drei Gruppen Produkt-Management, R&D und Wertstrom. Innerhalb des Produkt-Managements liegt die Verantwortung, Fragen der Nachhaltigkeit zu konsolidieren und Entscheidungen herbeizuführen. Über das Produkt-Management wird das Thema Nachhaltigkeit also in die Entwicklungsteams hineingetragen. Als Innovator stehen wir zu unseren Überzeugungen und versorgen den Markt mit immer nachhaltigeren Produkten, andererseits fordern unsere Kunden uns auch heraus. Stichwort Green Factory. Wir arbeiten mit unseren Kunden in einer Partnerschaft auf Augenhöhe, um den globalen Herausforderungen zu begegnen.

Gibt es innerhalb der Entwicklerteams Zielkonflikte, weil die technisch beste Lösung kombiniert werden muss mit Nachhaltigkeitskriterien? Wird der Erfindergeist gebremst oder beflügelt?

Es gibt keinen Hinderungsgrund, die optimale Lösung umzusetzen, denn nachhaltigere Produkte leisten einen positiven Beitrag für uns alle und die nächste Generation. Und: Bei TRUMPF koppeln wir Nachhaltigkeit mit Digitalisierung. Ziel ist es, Fragen zur Nachhaltigkeit messbar, quantifizierbar und datenbasiert aufzubereiten. So wollen wir den erzielbaren Nachhaltigkeitsbeitrag besser verstehen, um die richtigen Entscheidungen zu treffen. Dieser systemische Ansatz wirkt sich fördernd auf den Erfindergeist aus.

Wie kann der Maschinen- und Anlagenbau nachhaltiger aufgestellt werden, welche anderen Trends prägen aktuell die Branche?

Im Maschinenbau sehen wir aktuell drei Megatrends, die in den Unternehmen zusammengeführt werden: Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Systems Engineering. Diese Bereiche werden flankiert von einem Wandel hin zu einer serviceorientierten Industrieform. Das heißt: Der Maschinenbauer verkauft nicht einfach nur das Equipment an seine Kunden, sondern begreift den umfassenden Service als elementaren Bestandteil des Geschäftsmodells.

Denn um optimale Entscheidungen für Klimaschutz und Nachhaltigkeit treffen zu können, müssen wir gemeinsam mit unseren Kunden die Fertigung auf unseren Maschinen ganzheitlich betrachten – und zwar als Kreislaufwirtschaft. Mit dem Zusammenschluss zwischen Anlagenbauer und Anlagenbetreiber heben wir die größten Potenziale und können systemische Aufgaben lösen. Insofern stehen wir meines Erachtens am Beginn einer neuen Dekade, in der Dinge ineinandergreifen und wir Systemgrenzen verschieben.

Wandelt sich der Maschinenbauer in einer Kreislaufwirtschaft also stärker in Richtung Serviceanbieter?

Mit unseren Maschinen sind wir spezialisiert auf die Blechbearbeitung – übrigens ein Werkstoff, der ideal geeignet ist für die Kreislaufwirtschaft, weil Altmetall neu eingeschmolzen und verarbeitet werden kann. Wir arbeiten hier also mit zwei verschiedenen Kreisläufen, die ineinandergreifen: Einerseits dem Blech, das immer wieder neu in die Fertigung mit aufgenommen werden kann. Andererseits mit unseren Maschinen, die wir zunehmend in Modulbauweise anbieten. Das ermöglicht eine flexible Refurbishment-Strategie, die sich auch im Geschäftsmodell Equipment-as-a-Service (EaaS) wiederfindet. EaaS heißt in diesem Fall, dass die Maschine im Unternehmen des Kunden steht, der Kunde aber nur pro Bauteil zahlt, das mit der Maschine auch gefertigt wird. In diesem Pay-per-Part-Produktionsprozess übernimmt TRUMPF eine größere Verantwortung im Wertschöpfungsprozess. Wir lernen dabei viel über verschiedene Verbräuche, Herausforderungen und Optimierungsmöglichkeiten. Und dank der Modulbauweise können wir gezielt nur einzelne Teile der Maschinen erneuern oder anpassen, was im Sinne einer nachhaltigen Fertigung ideal ist.

Welche Möglichkeiten stehen TRUMPF in Sachen Umwelt- und Klimaschutz noch zur Verfügung?

Mit der von uns, Zeiss und ASML entwickelten EUV-Lithographie für Hochleistungschips helfen wir dabei, dass Smart Phones oder Computer deutlich effizienter und klimafreundlicher arbeiten. Auf diesem Zukunftsmarkt sind wir als Laserhersteller weltweit die einzigen, die das können. Außerdem setzen wir uns hohe Ziele, rüsten Gebäude nach und optimieren die Fertigung. Nicht zuletzt deshalb arbeitet die TRUMPF -Gruppe bilanziell gesehen schon heute CO2-neutral. Wir – und dabei als oberste Antreiber unsere Eigentümer – haben eine hohe Motivation, das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Unser größter Hebel sind jedoch unsere Kunden. Wir unterstützen beim Wandel zur grünen Fabrik und ganzheitlichen Geschäftsmodellen. Wenn wir damit erfolgreich sind, dann sind es auch unsere Kunden.


Zum Unternehmen

Die TRUMPF -Gruppe mit Hauptsitz in Ditzingen nahe Stuttgart gehört zu den weltweit größten Anbietern von Werkzeugmaschinen und ist mit mehr als 70 Tochtergesellschaften weltweit in allen wichtigen Märkten vertreten. Im Geschäftsjahr 2020/21 erwirtschaftete das Unternehmen mit fast 15.000 Mitarbeitern einen Umsatz von mehr als 3,5 Milliarden Euro. Ursprünglich als mechanische Werkstätte im Jahr 1923 gegründet, hat sich TRUMPF heute zu einem Markt- und Technologieführer bei Werkzeugmaschinen und Lasern für die industrielle Fertigung entwickelt. Dank innovativer Softwarelösungen gilt das Unternehmen auch als Partner auf dem Weg zur Smart Factory.


Studie Green Transformation im Maschinen- und Anlagenbau

Green Transformation

Im Maschinenbau sehen Experten aktuell drei Megatrends, die in den Unternehmen zusammengeführt werden müssen. Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Systems Engineering. Um, laut Expertenmeinung, Nachhaltigkeit ganzheitlich gewährleisten zu können, muss der Maschinenbau mit seinen Kunden symbiotisch zusammenarbeiten. Erst mit dem Zusammenschluss zwischen Anlagebauern und Anlagebetreibern können systemische Aufgaben wie die Kreislaufwirtschaft sinnvoll angegangen werden.

Damit der grüne Wandel gelingt, müssen die Unternehmen und ihre Zulieferer enger kooperieren und ihre Transformationsbereitschaft steigern. Das wird voraussichtlich nicht allen gelingen, wie die Ergebnisse dieser Studie belegen.

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