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„Wir werden an der Schnittstelle Mensch-Maschine händeringend nach Fachkräften suchen“

Mensch-Maschine
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April 12, 2022 | Digitalisierung

Künstliche Intelligenz (KI) fasst mehr und mehr Fuß in internationalen Unternehmen. Verena Fink, Gründerin und geschäftsführende Gesellschafterin der Unternehmensberatung Woodpecker Finch in Köln sowie Beiratsmitglied beim kalifornischen IT-Dienstleister DocuSign Inc., spricht mit Janice Köser, Managerin der Akademie bei der Staufen AG, über die Entwicklung. Sie ist Expertin für die digitale Transformation in Marketing und Sales und kennt die Chancen und die Risiken, die KI mit sich bringt.

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Verena Fink
Verena Fink
Geschäftsführende Gesellschafterin
Woodpecker Finch GmbH

KI ist eine sehr komplexe Technologie und doch limitiert

Viele Menschen wissen nicht genau, was sie sich unter einer KI vorstellen sollen. Auch Verena Fink selbst, die sich eingehend mit dem Thema befasst hat, sagt darüber: „Für mich ist KI eine Technologie, die wir heute noch nicht komplett verstehen.“ Die Systeme lernen selbst, verknüpfen Datenpunkte miteinander und spielen viele verschiedene Wege zum Ziel durch.

Bei all dieser Komplexität bleibt aber bestehen, dass die KI-Systeme nur so gut sind wie die Daten, die sie erhalten – und damit so gut wie die Menschen, die die Datenauswahl treffen. Es ist leicht möglich, eine KI nur mit solchen Daten zu versehen, die ein gewünschtes Ergebnis hervorbringen.

Nicht alle nutzen die Chance zum Wandel

Während einige Unternehmen den unvermeidlichen Schub, den die Digitalisierung in Deutschland durch die Pandemie erfahren hat, als Chance zum Wandel nutzen, bleiben andere zögerlich: Vor allem mittelständische Unternehmen entscheiden sich oft nicht dafür, die Gelegenheit zu nutzen. Das ist ein Reflex, den Verena Fink nicht unverständlich findet: „Wenn die Zeiten unsicher sind, so wie jetzt gerade, wenn die Budgets knapp sind, dann tendieren halt viele dazu, mehr von dem zu machen, was in der Vergangenheit funktioniert hat, statt auf Risiko zu gehen und was Neues auszuprobieren.“

Doch sie glaubt, dass es sich auch für mittelständische Unternehmen lohnen wird, in KI zu investieren: Da die Welt immer komplexer und der Kunde immer weniger greifbar wird, droht ansonsten der Verlust des Anschlusses. In manchen Unternehmen ist es allerdings nicht nur die Geldfrage, die die Investition ausbremst: Manche Führungskräfte befürchten, dass die Analysen der KI nicht mit ihren Meinungen und Gefühlen zusammenpassen könnten oder dass ihr Entscheidungsspielraum dadurch eingeschränkt werden könnte.

Der Mensch bleibt unersetzlich

Da KI immer von erfahrenen Menschen gelenkt und geleitet werden muss, sind die letzteren Befürchtungen hinfällig. Eine KI arbeitet immer nur mit Daten, während ein Mensch zur Empathie fähig ist und Menschenkenntnis mitbringt. Diese Punkte führen oft dazu, dass eine Situation anders bewertet wird als nach schlichten Daten und Zahlen. Und KIs müssen mit ihren Parametern von außen versorgt werden.

Es gibt begründete und unbegründete Angst vor der KI

Alles, was der Mensch nicht kennt, erscheint ihm zunächst potenziell bedrohlich. Die Gefahr, dass die KI Arbeitsplätze vernichten wird, sieht Verena Fink als nicht gegeben an. Zwar wird es Strukturverschiebungen zwischen den Wirtschaftszweigen geben, aber gerade an der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine werden sehr viele gute Fachkräfte gebraucht werden, und auch das Dienstleistungssegment wird stärker werden.

KI an sich sieht Verena Fink als positive Entwicklung: „Nicht nur, weil sie schneller ist, sondern weil sie in der Menge noch mit Daten umgehen kann, bei der wir schon aussteigen. Und das hilft uns, weil sie uns helfen kann, Dinge zuzuordnen, Alternativen auszuwählen, Empfehlungen abzugeben und Ressourcen zu priorisieren und zu strukturieren.“ Mithilfe einer KI fällt es leichter, Trends und Muster zu erkennen.

Die Expertin nennt aber auch ein Beispiel für begründete Angst: „Was, wenn wir nicht genau wissen, auf welcher Datenbasis die KI zu ihrer Einschätzung kommt?“ Sie beschreibt, wie es etwa in einem Bewerbungsprozess bei der Vorauswahl zu Fehlern kommen kann, weil der Algorithmus mit Daten trainiert wird, die dafür sorgen können, dass bestimmte Menschengruppen gar nicht erst in die engere Auswahl kommen. Es ist notwendig, dass die Gesetze den Möglichkeiten künstlicher Intelligenz angepasst werden, damit es nicht zu Diskriminierungen kommt.

Europa muss aufpassen, dass es den Anschluss nicht verliert

Verena Fink sieht in Europa einen dringenden Nachholbedarf hinsichtlich des Themas KI in allen Branchen: „Denn die globalen Player, die die künstliche Intelligenz und die Forschung dazu heute treiben, die kann ich an zwei Händen abzählen. Und die steuern mit ihren Plattformen 7 Milliarden Endkunden. Deshalb verdienen die auch so viel Geld, das sie enorm investieren.“ Europa ist hier aber kaum involviert und droht, den Anschluss zu verlieren.

Es steht zu erwarten, dass KI die Kultur der Unternehmen in allen Bereichen verändern wird: Die Rollen der Akteur*innen und die Jobs werden anders aussehen – Mitarbeitende werden weniger repetitive Aufgaben übernehmen und dafür mehr mit Maschinen arbeiten. Damit diese Veränderung gelingen kann, ist es unbedingt nötig, in digitale Bildung zu investieren: Unternehmen sollten frühzeitig dafür sorgen, dass ihre Angestellten die passenden Schulungen erhalten. Der Kampf um die wenigen Talente auf dem Arbeitsmarkt wird sich nämlich noch weiter verschärfen.

„Künstliche Intelligenz in der Personalarbeit“

Verena Fink hat ihre Erfahrungen in das Buch „Künstliche Intelligenz in der Personalarbeit“ einfließen lassen. Sie zeigt darin auf, dass in einem so jungen Bereich wie KI ethische und moralische Fragen aufgeworfen und beantwortet werden müssen. „Ich schreibe auch über die Wechselwirkung von künstlicher Intelligenz und menschlicher Kooperation“, erklärt die Expertin. „Wie können wir das Ganze gestalten, damit die Arbeit für die Menschen befriedigender wird? Und wie gehen wir mit der Kulturveränderung um?“ Zusätzlich stellt sie Tools vor, die mit KI funktionieren, und untersucht, inwieweit sie dem Unternehmen und der Belegschaft tatsächlich dienen.

KI ist jung, aber unausweichlich

Die künstliche Intelligenz ist eben erst den Kinderschuhen entwachsen. Dennoch sind die Fortschritte bereits ganz erstaunlich. Folgerichtig werden diejenigen, die sich ihrer bedienen, einen entscheidenden Vorsprung vor jenen haben, die sich ihr verweigern. Verena Fink ist eine jener Expert*innen, die dafür sorgen möchten, dass KI mehr Akzeptanz bei den Unternehmen in Europa findet. Dafür ist sie als Talkgast, als Autorin und als Vortragsrednerin unterwegs und veranschaulicht ihr Wissen mit leicht verständlichen Beispielen aus der jeweiligen Branche. Denn nur, wenn sowohl die Chancen als auch die Risiken der KI bekannt sind, können Letztere eliminiert werden, sodass sich das Potenzial der Technologie zum Wohle des Unternehmens und der Belegschaft gleichermaßen entfalten kann.

Moderation

Janice Köser
Manager Academy
STAUFEN.AG

Gesprächspartnerin

Portrait Verena Fink

Verena Fink
Geschäftsführende Gesellschafterin
Woodpecker Finch GmbH

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