Interview mit Bernd Hausler, geschäftsführer bei ifm efector GmbH
ifm gilt als führender Anbieter für innovative Automatisierungstechnik. Geschäftsführer Bernd Hausler erklärt im Interview, wie über die Digitalisierung neue Geschäftsfelder erschlossen werden und mit welchen Herausforderungen die Industrie künftig zu kämpfen hat.
Bernd Hausler
Geschäftsführer
ifm efector gmbh
Herr Hausler, Lean, Digitalisierung und Nachhaltigkeit stellen für Sie eine Einheit dar. Kann sich ein Unternehmen diesem Dreiklang noch entziehen?
In der Produktion sind diese drei Bereiche nicht mehr voneinander zu trennen, und sie entscheiden über die globale Wettbewerbsfähigkeit. In Deutschland stehen wir vor dem Problem, dass wir die Kosteneffektivität der Konkurrenten in Asien und Osteuropa erreichen müssen. Dies gelingt nur mit kreativen Lösungen. Ein Kleinserienhersteller wie ifm beispielsweise kann aber aus Kostengründen die Produktion nicht vollständig automatisieren. Folglich müssen smarte Lösungen wie z. B. KI-Prozesse unterstützend auf manuelle oder teilautomatisierte Arbeitsplätze wirken, damit diese international wettbewerbsfähig sind.
Können Sie den Effekt in Zahlen ausdrücken?
Bevor wir 2017 voll auf die Digitalisierung gesetzt haben, konnten wir im Rahmen der normalen Verbesserungsmaßnahmen regelmäßig eine 3- bis 5-prozentige Effizienzsteigerung verzeichnen. Das reichte aber nicht aus, um den deutschen Standort wettbewerbsfähig zu halten. Wir mussten eine Schippe drauflegen und haben mit digitalen Werkzeugen einen Schub ausgelöst: 10 bis 20 Prozent Effizienzsteigerung!
Wie fügt sich Lean in eine Digitalisierungsstrategie ein?
Digitale Helfer führen nur dann zu einem solchen Effizienzschub, wenn im Unternehmen klare Abläufe und Prozesse definiert sind, und Lean bietet das Fundament für einen sauberen digitalen Prozess. Bei ifm haben wir schon vor über zehn Jahren eine klare Strategie und schlanke Prozesse eingeführt. Darauf konnten wir bei der Digitalisierung aufbauen. Im deutschen Mittelstand haben jedoch viele Unternehmen ihre Hausaufgaben noch nicht gemacht. Ihnen fehlen damit häufig digital abbildbare Prozesse.
In Deutschland stehen wir vor dem Problem, dass wir die Kosteneffektivität der Konkurrenten in Asien und Osteuropa erreichen müssen. Dies gelingt nur mit
BERND HAUSLER,
kreativen Lösungen.
General Manager bei ifm efector gmbh
Viele Unternehmen befürchten, im Zuge der Digitalisierung gleich ihre gesamte Organisation umbauen zu müssen. Ist diese Sorge berechtigt?
Ich rate dazu, in einem kleinen, überschaubaren Bereich mit einem Leuchtturm loszulegen. Deshalb: Bedenken beiseiteschieben, starten und dann von den ersten Schritten Rückschlüsse für das ganze Unternehmen ableiten. Ich würde dabei auch nicht von Meilensteinen sprechen, sondern von einer Lean-Reise, die mit neuen, digitalen Werkzeugen kontinuierlich fortgesetzt wird. Viele Unternehmer sind angesichts ständig neuer Tools verunsichert und trauen sich nicht, Dinge einfach mal auszuprobieren. Das trifft leider auch auf einige Großkonzerne zu. Aber um den Angriff neuer, digital affiner Konkurrenten abwehren zu können, braucht es Mut und Offenheit für neue Technologien.
Wie können innerhalb der Belegschaft Neugierde und aktives Engagement gefördert werden?
Wir versuchen, die Fantasie und Kreativität zu fördern, ohne gleich Ergebnisse einzufordern. Ein Beispiel: Für die Anschaffung eines Roboters stellte ich unseren Mitarbeitenden 25.000 Euro zur Verfügung. Wir hatten absichtlich klein angefangen und keinen ROI-Plan aufgestellt. Stattdessen hieß die Devise: laufen lernen mit dem neuen Werkzeug und über verschiedene Versuchsreihen Möglichkeiten einer sinnvollen Nutzung erarbeiten. Ein Unternehmen muss bereit sein, solche Risikoinvestitionen zu tätigen und den Kolleginnen und Kollegen auch Fehler oder Sackgassen einzuräumen. Nicht immer führt ein kreativer Ansatz auch zum Erfolg. Also: nicht gleich Perfektion anstreben, sondern Raum für ein Trial-and-Error geben.
Gibt es ein Beispiel, wie dieser Ansatz bei ifm zu einem neuen Produkt geführt hat?
Beispielhaft dafür steht der von uns entwickelte „intelligente Arbeitsplatz“. Ursprünglich ging es darum, Flüchtigkeitsfehler in der Kleinserienfertigung zu vermeiden. Die üblichen Sensorik-Methoden hatten wir bereits ausgereizt. Wir veranstalteten also einen Hackathon mit dem Topic „Intelligente Verpackung in der Kleinserie“. Studierende von sieben Hochschulen forschten, probierten und entwickelten zwei Tage lang, bevor sie ihre Ergebnisse präsentierten. Eine Idee überzeugte uns besonders: ein Arbeitsplatz mit einer KI-unterstützten Bildverarbeitung als Unterstützung für Mitarbeitende. Mit im Gewinnerteam war Sonja Reiner, die wir danach engagierten und die jetzt als Produktverantwortliche unser Werkerassistenzsystem „ifm mate“ weiter vorantreibt. Beim Lösen eigener Probleme sind wir damit zu Lösungen und Produkten für uns und unsere Kunden gekommen.
Ist der intelligente Arbeitsplatz auch ein Ausweg aus dem drohenden Fachkräftemangel?
Das System ist prädestiniert dafür, um komplexere Tätigkeiten auch ohne größere Vorkenntnisse handhabbar zu machen. Aber damit der „ifm mate“ sinnvoll eingesetzt werden kann, sollten die Unternehmen Lean eingeführt haben. Zuerst müssen die Arbeitsabläufe in der physischen Welt konsequent standardisiert werden, erst danach können mit cleveren digitalen Tools weitere Potenziale – Stichwort Qualitäts-/Fehlerkosten – gehoben werden.
Wie wird eine „Fabrik des Jahres“ in fünf Jahren aussehen?
Digitalisierung und Effizienzsteigerung bleiben wichtige Punkte, die immer stärker vom Thema Nachhaltigkeit geprägt werden. Lean, Digitalisierung und Nachhaltigkeit werden also noch stärker miteinander verwoben sein. Das bedeutet, dass intelligente Systeme sich an die Produktionspläne und -linien anpassen und automatisch runter- bzw. hochfahren. Vor allem Themen rund um die Energieeinsparung werden wichtiger. Auch hier kommt wieder Lean ins Spiel, denn nur wenn die Maschinen und Prozesse stabil laufen, kann ich dem System die Abschaltautomatiken übertragen.
Heißt das: Wer bei Lean und der Digitalisierung hinterherhinkt, wird auch beim Thema Nachhaltigkeit den Anschluss verlieren?
Viele Unternehmen werden die Vorgaben zur Nachhaltigkeit nicht rechtzeitig erfüllen und zum Beispiel den CO2-Fußabdruck nicht transparent darstellen können. Aber der gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Druck nimmt zu. Die Industrie muss künftig saubere Daten – und damit auch saubere Produkte – liefern.
das unternehmen
Mit rund 8.100 Mitarbeitenden und einem Umsatz von über 1,2 Milliarden Euro jährlich gilt die ifm-Unternehmensgruppe als bedeutender und weltweit aktiver Zulieferer von Systemen und Komponenten der Automatisierungstechnik für Industrieunternehmen. Firmeneigene Produkte und Lösungen werden in der eigenen Produktion eingesetzt. Sie halfen dabei, den renommierten Industriewettbewerb „Fabrik des Jahres“ zu gewinnen.