„Komplexität ist der zentrale Kostentreiber“

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STAUFEN MAGAZINE 2022 | No. 5 | C & E Fein GmbH | Operational Excellence

Berater, Sanierer, Konzernlenker, Eigentümer – Dr. Christoph Weiß hat Unternehmen schon aus den unterschiedlichsten Positionen heraus gestaltet. Als Geschäftsführer der C. & E. Fein GmbH hat er, mit Unterstützung der Staufen AG, die indirekten Bereiche genauer unter die Lupe genommen. Im Gespräch mit Christian Möllers, Partner bei der Staufen AG, erläutert er, wie man dort Effizienzpotenziale hebt.

Portrait Dr. Christoph Weiss

DR. CHRISTOPH WEISS

ist Geschäftsführer des Werkzeugherstellers FEIN. Der promovierte Diplom-Kaufmann saß u. a. im Vorstand der Festo AG und führte die Unternehmensgruppe Theo Müller (Müllermilch). Weiß ist zudem Eigentümer der Schmuckmanufaktur Ehinger Schwarz sowie der Züricher Beratungsfirma 10-P Consult.

Herr Dr. Weiß, das Feld der indirekten Bereiche reicht von der Forschung und Entwicklung über die Personalabteilung bis zum Vertrieb, um nur einige zu nennen. Gibt es etwas, was diese Bereiche gemeinsam haben?

Ja, in allen Bereichen ist Komplexität der zentrale Kostentreiber. Wir leben in einer Zeit des Hyperwettbewerbs. Jeder versucht jedem Kunden immer alles recht zu machen. Doch das funktioniert nicht.

Wie kann diese Komplexität reduziert werden?

Indem ich mir Gedanken mache, welche Zielgruppen ich mit welchem Angebot bedienen möchte. Oder noch wichtiger: welche Zielgruppen ich nicht (mehr) bedienen möchte. Gerade mit dieser Frage tun sich viele Unternehmen schwer. Kurz nach meinem Start bei FEIN haben wir uns aus 60 kleinen Märkten zurückgezogen und uns auf die 15 eigenen Landesgesellschaften fokussiert. Das hat auf der Vertriebsseite enorm viel Komplexität rausgenommen, und plötzlich hatten wir dort genügend Kapazitäten, um auf den für uns wichtigen Märkten ganz andere Stückzahlen zu erzielen, statt sie mühsam auf der ganzen Welt einzusammeln.

Wie geht es in den indirekten Bereichen nach der Strategieschärfung weiter?

Sie müssen analysieren, welche Prozesse bisher nicht standardisiert ablaufen. Denn diese sind am Ende die größten Kapazitätsfresser und damit die Quelle für Unproduktivität. Viele Unternehmen glauben noch immer, nur sie wüssten, wie ihre Branche funktioniert. Aber wenn man sich moderne ERP-Lösungen anschaut, sieht man, wie viele Prozesse sich mittlerweile standardisieren und damit – ganz wichtig – auch digitalisieren lassen.

Haben Sie ein Beispiel für einen typischen nicht standardisierten und damit unproduktiven Prozess?

Wenn ein Serienhersteller plötzlich versucht, kundenspezifische Lösungen oder Services anzubieten, bekommt er das mit seinem bisherigen ERP nicht hin. Was macht er? Er fängt an, mit Excel Workarounds zu basteln. Die Folge: Die ganze Aktion läuft voll gegen die Produktivität.

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Was ist mit nicht standardisierbaren Prozessen, die ich weder abschalten noch auslagern kann?

Das Produktmanagement ist nicht wirklich standardisierbar. Gleichzeitig ist es aber von zentraler Bedeutung. Denn hier schauen kreative Köpfe ganz genau hin, was die Kunden brauchen und wie sich der Markt entwickelt. Um die Produktivität hochzuhalten und keine Kapazitäten zu vergeuden, hilft nur ein sehr hartes Filtern der Produktideen und ein striktes Portfolio-Management des bestehenden Produktprogramms.

Die Kunst im Produktmanagement liegt darin, das Problem des Kunden zu erkennen und dann eine Lösung zu stricken, die besser ist als alles andere am Markt. Dafür muss ich aber konsequent von außen nach innen denken. Produktmanager müssen Unternehmer im Unternehmen sein.

Fast scheint es, dass die Effizienzprobleme in den indirekten Bereichen nicht behoben werden, weil das Management die vorgelagerten großen Schritte und mitunter schmerzhaften Schnitte scheut.

Das kann ich nur unterstreichen. Das Management muss klare Richtungsentscheidungen treffen, um den Mitarbeitenden eine klare Guidance zu geben: Was ist wichtig und was lassen wir lieber weg.

An welcher Kennzahl machen Sie fest, ob ein indirekter Bereich effizient arbeitet?

Mein Lieblingsindikator sind die Personalkosten des Bereichs in Relation zur Wertschöpfung. Über die Zeit muss sich der relative Kostenblock pro Einheit reduzieren. Und zwar eben nicht dadurch, dass ich die Mitarbeitenden dazu antreibe, mehr und schneller zu arbeiten, sondern indem ich die großen Kostentreiber identifiziere und beherrschbar mache.

Welchen Richtwert sollten Unternehmen hier mindestens erreichen?

Wenn wir die gesamten Personalkosten (direkte und indirekte Bereiche zusammen) zur Wertschöpfung – also Umsatz minus Material minus verlängerte Werkbank – ins Verhältnis setzen, würde ich für die verarbeitende Industrie folgende Staffelung sehen:

• Unter 40 Prozent ist sehr gut,
• unter 50 Prozent ist gut,
• zwischen 50 und 60 Prozent ist noch viel Raum für Verbesserungen und
• über 60 Prozent wird es existenzgefährdend.

Ganz wichtig: Diese Kennzahl spiegelt sich 1 zu 1 in der EBIT-Marge wider. Das ist vielen noch nicht klar. Der Indikator Personalkosten im Verhältnis zur Wertschöpfung zeigt ganz klar an, ob mein Unternehmen wachsen kann, ohne zu wachsen.

FEIN Magnet-Kernbohrmaschine

Also geht es darum, mehr Wertschöpfung mit bestehender Belegschaft zu erzielen.

Wenn das Arbeitsumfeld inspirierend ist und sich die Menschen mit eigenen Ideen bei der Prozessverbesserung einbringen können, haben Sie schon die wesentlichen Zutaten, damit ein Unternehmen immer wieder ein Stückchen besser wird. So schaffen Sie es dann, zweistellig zu wachsen, ohne dass Sie zweistellig mehr Mitarbeitende brauchen. Meine Faustformel: 10 Prozent Wachstum bei 3 Prozent höheren Personalkosten sind realistisch, wenn man es richtig anpackt.


Portrait Christian Möllers

Christian Möllers

Partner

STAUFEN.AG

„Unsere Projekterfahrung zeigt, dass Unternehmen beim Thema Effizienzsteigerung ihren Fokus meist ausschließlich auf die direkten Bereiche legen. Dieser Ansatz greift häufig zu kurz, da in der Regel auch indirekte Prozesse Potenziale aufweisen, die durch Verschlankung einen signifikante Beitrag zur Ergebnisverbesserung leisten können.“

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Magazinartikel MIT C & E Fein GmbH

„Komplexität ist der zentrale Kostentreiber“

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