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Lean ist doch etwas für die Produktion, oder?

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Mai 18, 2021 | Lean Management

Oder auch nicht! Lean Methoden kommen immer häufiger auch in administrativen Bereichen zum Einsatz. So spricht man unter anderem von Lean Administration. Doch welche Bereiche genau sind hier gemeint? Unter Administration bzw. den administrativen Bereichen werden alle Unternehmensbereiche verstanden, die nichts mit der Bearbeitung eines (physischen) Produkts zu tun haben, wie z. B. HR, Controlling, Einkauf, Vertrieb, Marketing etc.

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Was sind administrative Prozesse?

In administrativen Bereichen geht es darum, zu einer angeforderten Leistung etwa den Informationsgehalt zu steigern und dadurch die Wertschöpfung zu erzeugen. So liefert beispielsweise das Controlling die richtigen und notwendigen Zahlen und Daten als Basis für viele weitere Prozessaktivitäten und Entscheidungen. Der Vertrieb stellt mit einem schlanken Auftragsabwicklungsprozess sicher, dass die Kundenaufträge zeitnah und qualitativ hochwertig bearbeitet werden.

Wie in der Produktion können in administrativen Prozessen die verschiedenen Verschwendungsarten (z. B. Überproduktion, Wartezeiten etc.) auftreten. Ebenso wie in der Produktion können Lean Methoden helfen, Verschwendungen in der Administration zu reduzieren oder zu eliminieren.

Wie führt man Lean in der Administration ein?

Der Einsatz von Lean Methoden in der Administration hat erst in den letzten Jahren Fahrt aufgenommen und ist am Markt noch nicht ganz so bekannt ist wie Lean in der Produktion. Daher gilt es hier oft erstmal die Mitarbeitenden zu überzeugen und einzubeziehen. Seitens der Mitarbeitenden besteht oft das Vorurteil, dass Lean Methoden doch nur in der Produktion nützlich seien. So ist oft zu hören: „Lean ist in der Produktion, wenn irgendwie Linien getaktet werden. Und dann wird irgendwie einen Rüstprozess optimiert. Was hat das denn jetzt mit mir im HR oder Vertrieb zu tun?“

Diese Vorurteile sind nicht überraschend, da das Thema Lean originär aus der Produktion kommt und dort einfacher und besser sichtbar ist als in indirekten Bereichen. Schaut man aber aus der Vogelperspektive, was sich hinter Lean Management versteckt, so sieht man, dass es darum geht, Prozesse konsequent am Kunden auszurichten und Verschwendungen zielgerichtet zu eliminieren oder zu reduzieren.

Ziel ist eine Unternehmenskultur, in der jeder tagtäglich prüft, wo er etwas verbessern oder Verschwendung beseitigen kann. Dies bestätigt, dass Lean in allen Unternehmensbereichen anwendbar ist. Überall dort, wo es einen (externen oder internen) Kunden oder einen Prozess gibt, kann es Probleme und Verschwendung geben. Und überall dort kommen Lean Methoden zum Einsatz.

Typische Beispiele für Verschwendungen in der Administration sind z. B. qualitativ nicht ausreichende Informationen, um Aufgaben ohne Rückfragen durchzuführen zu können, oder lange Liegezeiten von Aufträgen aufgrund nicht sauber abgestimmter Schnittstellen zwischen Abteilungen. Oft stellen Schnittstellen zwischen verschiedenen Systemen oder unklare Rollenzuordnungen Quellen für Verschwendung dar. Bei Letzterem kann dies im schlimmsten Fall dazu führen, dass sich keiner für eine Aufgabe verantwortlich fühlt.

Wie gelingt es, die Mitarbeiter auf die Lean Reise mitzunehmen?

Die meisten Mitarbeitenden fragen sich: „Wie kann Lean auch bei uns angewendet werden? Wie soll eine Taktung bei uns in den administrativen Bereichen aussehen, sei es in Controlling, Vertrieb oder Service?“ Hier ist es wichtig, das Thema greifbar zu machen und darzustellen, wie z. B. Überproduktion in administrativen Bereichen aussehen kann. Das gemeinsame Erarbeiten konkreter Beispiele für Verschwendungsarten sorgt für viele Aha-Erlebnisse bei den Mitarbeitenden. Und Beispiele sind schnell gefunden. So entsteht „Überproduktion“ bereits, wenn ich zu viele Leute zu einem Meeting einlade. Unbearbeitete Reklamationen oder E-Mails stellen „Bestände“ dar.

Wie lassen sich quantitative Ergebnisse in administrativen Bereichen darstellen?

In der Produktion ist es in der Tat einfacher, quantitative Ergebnisse sichtbar zu machen. Ein Stapel Material ist für jeden sichtbar, ebenso eine Kiste, die von A nach B transportiert wird. Zudem gibt es in der Produktion oft Datenerfassungssysteme, mit denen Informationen ausgewertet werden können und sich Kennzahlen schnell darlegen lassen. Man sieht also relativ einfach, wo z. B. eine Verschwendung im Sinne von Stillstandszeiten ist.

Auch in den indirekten Bereichen sollte zum Projektstart die Ist-Situation mit validen Daten belegt werden. Diese Daten stellen den Absprungpunkt dar: Wo wollen wir von da aus hin, um ein messbares Ergebnis zu haben. Da hier zumeist nicht auf Systemdaten zurückgegriffen werden kann, startet man oft mit Mitarbeiterinterviews. An repräsentativen Aufträgen wird beobachtet, wie lange die Arbeitsschritte tatsächlich dauern oder wie lange ein Auftrag auch mal liegt. Im einfachsten Fall gibt man den Mitarbeitenden eine Strichliste. Darauf notieren die Mitarbeitenden zwei Wochen lang ihre Arbeit. Wie oft fehlt z. B. eine Information? Damit bekommt man eine aggregierte Datengrundlage, um zu definieren, an welchem Schmerzpunkt man arbeiten möchte.

Die Digitalisierung kann hier einen wertvollen Beitrag liefern. Es gibt immer mehr digitale Daten oder Workflows, mit denen u. a. Zeiten erfasst werden können. So kommt z. B. eine Anfrage herein. Anhand des Zeitstempels sieht man die Uhrzeit, zu der die E-Mail eingegangen ist. Weiter sieht man, wann der Auftrag in SAP angelegt wurde, wann das Angebot verschickt wurde und wann die Auftragsbestätigung versandt wurde. So erhält man alle Zeitstempel aus Systemen wie SAP, Outlook usw.

Zudem gibt immer mehr Technologien, wie z. B. Process Mining, die man an Systeme anbinden kann, um Daten abzugreifen. So lassen sich Prozessflüsse digital darstellen, gepaart mit unterschiedlichen prozentualen Häufigkeiten: Wie oft kommt z. B. Prozessvariante A vor, wie oft B oder C? Man erhält mehr und schneller relevante Daten, um die Ist-Situation zu evaluieren.

Was kann man mit Lean Administration erreichen?

Die Zielsetzungen sind sehr unterschiedlich. Hier zwei konkrete Beispiele:

In einem Projekt zur Prozessoptimierung konnte bei einer klassischen Auftragsabwicklung die Durchlaufzeit durch Schnittstellenreduzierung, klare Rollenverteilung und Anpassung oder Standardisierung von Formularen um 25 % reduziert werden.

In einem anderen Fall ging es um eine Funktionsoptimierung. In einer HR-Abteilung wurden 20 % der Kapazitäten für neue Themen freigestellt. In diesem Fall wurden freie Kapazitäten benötigt, um eine digitale Personalakte einzuführen. Das Unternehmen wollte dafür keine neuen Mitarbeiter einstellen. So musste die Kapazität innerhalb der Abteilungen freigestellt werden.

Ein weiteres Beispiel ist der Einsatz von Robotic Process Automation (RPA). So konnte z. B. in einem Unternehmen der Prozess „Stundenrückmeldung“ zu 80 % automatisiert werden. Die Mitarbeitenden hatten ihre Stunden regelmäßig in SAP eingetragen. Fehlermeldungen etc. mussten nachgeprüft werden. Dies hatten früher 13 Mitarbeitende gemacht. Heute steuert dies ein Mitarbeiter zentral. Weitere Möglichkeiten für Automatisierungen sind Reisekostenabrechnungen, das Erstellen von Fertigungspapieren, die Bereitstellung von Lieferscheinen etc.

Es gibt viele weitere Beispiele für Optimierungspotenzial in administrativen Bereichen. Und zwar unabhängig davon, in welcher Branche das Unternehmen tätig ist. Lean Administration kann überall zum Einsatz kommen, sowohl in produzierenden Gewerben als auch in der Dienstleistungsbranche.

Moderation

Canan Jungel, Project Manager, STAUFEN.AG

Gast

Patrick Rösner, Project Manager / Berater und Trainer für Lean in indirekten Bereichen, STAUFEN.AG

Gast

Bettina Wittig, Associate / Beraterin und Trainerin für Lean in indirekten Bereichen mit dem Fokus „Digitalisierung“, STAUFEN.AG

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