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„Hochleistung in der Auftragsabwicklung durch konsequentes Eliminieren von Zeitfressern“

Business person with time management activity to improve productivity, process optimization and lean organization. Business and production improvement by time and resource planning for more profit
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Juni 5, 2024 | Operational Excellence

Interview mit Prof. Dr.-Ing. Joachim Metternich – Leiter des PTW an der TU Darmstadt


Als Leiter des PTW an der TU Darmstadt ist Prof. Dr.-Ing. Joachim Metternich einer der Brückenbauer zwischen Forschung und Industrie. Im Interview erklärt er, was es braucht, um den nächsten Produktivitätsschub auszulösen.

Zur Person: Prof. Dr.-Ing. Joachim Metternich leitet seit 2012 das Institut für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen (PTW) an der Technischen Universität Darmstadt.

Zum PTW: Ganzheitliche Lösungen für die Produktion basieren nach dem Verständnis des PTW immer auf dem Dreiklang aus Mensch, Technik und Organisation. Das PTW forscht vor allem in den Bereichen Produktionsorganisation, Fertigungstechnologie sowie Energieflexibilität und -effizienz.

Interview

„Hochleistung in der Auftragsabwicklung durch konsequentes Eliminieren von Zeitfressern“

1. Herr Professor Metternich, die Ergebnisse der Staufen-Studie zeigen: Unternehmen stehen unter hohem Druck und vor vielfältigen Herausforderungen. Wie lässt sich in diesem Umfeld Operational Excellence erreichen?

Metternich: Nachhaltigkeit in der Verbesserung der
Operational Excellence erreiche ich nicht, indem ich immer nur das priorisiere, was den schnellsten Payback ergibt. Das ist manchmal schwer zu argumentieren, aber es gibt eben Dinge, die ein Unternehmen aus der Überzeugung heraus tun muss, dass sie sich langfristig durch ein beschleunigtes Verbesserungstempo bezahlt machen. Dazu gehört die konsequente Investition in die Weiterbildung der Belegschaften ebenso wie die Umsetzung der klassischen Lean-Methoden, um Instabilität in den Prozessen zu finden, Verschwendung zu eliminieren und wertschöpfender zu arbeiten. Nach meiner Erfahrung hilft bei der Priorisierung von Verbesserungsaktivitäten der Fokus auf die größten Zeitfresser in der Auftragsabwicklung. Die Fragen sollten beispielsweise lauten: Warum können wir eine Bestellung nicht sofort in die Fertigung geben? Wo warten Aufträge, weil Information oder Material fehlt? Warum haben wir keinen durchgängigen Informationsfluss entlang der Auftragsabwicklung? Mithilfe der Wertstromanalyse lassen sich so die größten Zeitfresser und Instabilitäten in den Prozessen
identifizieren und priorisieren. Mit der Verbesserung
an der richtigen Stelle kommt schließlich der Erfolg, der
sich dann auch in den Kosten oder einer verbesserten
Lieferfähigkeit niederschlägt.

2. Können Unternehmen auch zu schlank sein und ihre Reaktionsfähigkeit verlieren, etwa wenn sie mit fragilen Lieferketten konfrontiert sind?

Metternich: Lean hat Instabilität schon immer in die Planung von Kapazitäten, Zeiten und Beständen einbezogen, soweit sie vorhersehbar und darstellbar war. Beispielweise werden Bestände so dimensioniert, dass Prozesse gegen Materialabriss aufgrund von Schwankungen in der Wiederbeschaffungszeit geschützt sind. Unvorhergesehene Ereignisse können aber auch in einem „perfekten“ Lean-System nicht vollständig antizipiert werden – dies betrifft z. B. politische Krisen oder auch Naturkatastrophen. Aus Lean-Sicht wäre es verschwenderisch, alle Eventualitäten durch Bestände zu berücksichtigen. Auf vorhersehbare Risiken ist ein Lean-System immer besser vorbereitet als eine Push-Planung – beispielsweise durch Kanban-Regelkreise. Auf unvorhersehbare Risiken kann sich niemand vorbereiten.

3. Wie viel Digitalisierung ist notwendig für Lean und Operational Excellence?

Metternich: Entscheidend ist die angemessene Kombination aus klassischen Verbesserungsmethoden und Digitalisierung. Prozesse sollten zunächst mit konventionellen Bordmitteln vereinfacht, stabilisiert und dann standardisiert werden. Mit der Digitalisierung kann ich das Rad dann noch ein Stück weiterdrehen in den Bereich, wo Probleme konventionell nicht gelöst werden können. Aber ich nutze Technologie nicht zum Selbstzweck oder weil es gerade im Trend liegt, sondern als Befähigerin, um einen guten Prozess auf ein neues Niveau zu heben. Schlussendlich wird nur genau so viel Digitalisierung benötigt, dass man der Konkurrenz immer einen Schritt voraus ist.


4. Rund ein Viertel der Studienteilnehmer zweifelt am Standort Deutschland. Was fehlt den Unternehmen, wie können sie sich besser positionieren?

Metternich: Die Unternehmen brauchen Verlässlichkeit und langfristige Klarheit, z. B. in der Energiepolitik oder bei bürokratischen Vorgaben. Das aktuell wechselhafte und teilweise behindernde Verhalten der Administration verunsichert und Unsicherheit ist keine gute Voraussetzung für eine Investition in den Standort. Auch der gesellschaftliche Wandel und der Fachkräftemangel sind in vielen Unternehmen angekommen. Die Herausforderung besteht nun darin, mit älter werdenden Belegschaften die gleiche Leistung zu erbringen. Dazu muss das Arbeitsumfeld so angepasst werden, dass die Leistungsfähigkeit dieser Beschäftigten erhalten bleibt. Darüber hinaus müssen die Kompetenzen der älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf dem neuesten Stand gehalten werden, damit sie auch in modernen Arbeitssystemen erfolgreich sind. Hier setzt die Weiterbildung an, die wir im Institut – auch gemeinsam mit der Staufen Akademie – anbieten. Das ist ein Zukunftsprogramm, und ich habe den Eindruck, dass immer mehr Unternehmen ihre Anstrengungen in diesem Bereich verstärken.

5. Gibt es Entwicklungen, die Sie beunruhigen?

Metternich: Was mir Sorgen bereitet, ist die Entwicklung der Produktivitätsstatistik in Deutschland. In der Dekade vor Industrie 4.0 ist sie ordentlich gestiegen, aber seit einiger Zeit bewegen wir uns nur noch seitwärts. Wenn wir unseren Wohlstand und unsere Industrie sichern wollen, müssen wir klassische Produktivitätsthemen wieder in den Vordergrund rücken und nicht so sehr jedem Trend hinterherlaufen. Hier spielt aber auch die individuelle Motivation eine Rolle: Mehrarbeit muss belohnt statt durch mehr Steuern und Abgaben bestraft zu werden. Klar ist auch: Wenn das Arbeitskräfteangebot sinkt, müssen die Unternehmen in Zukunft noch stärker automatisieren.

6. Haben die Unternehmen diese klassischen Produktivitätsthemen aus den Augen verloren?

Metternich: Die aktuell schwache Produktivitätsentwicklung ist auch das Ergebnis eines größeren Wandels. So wie sich die Wirtschaft insgesamt in Richtung Dienstleistungen entwickelt, hat sich dieser Trend auch in den Unternehmen selbst niedergeschlagen. Immer mehr Beschäftigte sind nicht mehr direkt wertschöpfend tätig, sondern erbringen Dienstleistungen, die aus dem Rahmen der klassischen industriellen Rationalisierung fallen, was die Produktivität nicht unbedingt steigert. Das bedeutet: In Zukunft muss die Produktivität vor allem in den Dienstleistungsprozessen gesteigert werden. Das kann die Digitalisierung leisten – wenn sie konsequent angewendet wird. Wichtig ist die digitale Durchgängigkeit ohne Brüche durch manuelle Prozesse, wie sie zum Beispiel in Deutschland noch häufig anzutreffen sind. Wenn wir den Lean-Ansatz auf die Digitalisierung übertragen, also End-to-End denken und Verschwendung aus halbherzig digitalisierten Prozessen entfernen, dann können wir den nächsten Produktivitätsschub erleben.

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