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Warum ist Varianten- und Komplexitäts­management heute relevanter denn je?

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Juli 29, 2021 | Operational Excellence

Die stetige Erhöhung der Produktvielfalt zwingt viele Unternehmen sich dem Thema Varianten- und Komplexitätsmanagement zu stellen. Um langfristig im Wettbewerb zu bestehen, muss die vorhandene Produkt- und Prozesskomplexität reduziert werden. Wie das gelingen kann, diskutieren wir mit Dino Munk, Partner bei der Staufen AG.

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Herr Munk, warum ist das Thema Varianten- und Komplexitätsmanagement heute relevanter denn je?

Bei vielen Kundenunterstützungsprojekten haben wir feststellt, dass sich über die Jahre einiges an Wildwuchs im Produktspektrum der Unternehmen entwickelt hat. Das hat auch damit zu tun, dass man im Laufe der Jahre mehr und mehr den individuellen Bedürfnissen seiner Kunden folgte. Viele unserer Kunden bewegen sich in gesättigten Märkten. Um sich von ihren Wettbewerbern abzusetzen, haben sich viele Unternehmen den persönlichen Wünschen ihrer Kunden angepasst. So entstand ein unübersichtliches Produktportfolio. Den meisten unserer Kunden ist das bewusst. Sie wissen, dass ihre Produktpalette ausgedünnt gehört und andere Wege in der Produktentwicklung beschritten werden sollten. Nur: Wie gelingt eine optimale Kundenvarianz bei gleichzeitiger minimaler und kostenoptimierter firmeninterner Komplexität? Wie kann man einerseits den individuellen Anforderungen und Wünschen der Kundschaft Genüge tun und andererseits die interne Komplexität im Griff behalten?

Was verstehen wir bei Staufen unter Varianten- und Komplexitätsmanagement?

Zum Thema Komplexitäts- und Variantenmanagement gibt es eine Vielzahl von Begriffen und Abhandlungen, auch von Instituten und in der Wissenschaft Tätigen, die sich mit der theoretischen Seite dieses Thema beschäftigen. Für uns sind im Varianten- und Komplexitätsmanagement vor allem drei Einflussgrößen relevant. Es sind die drei großen Vs, die für uns Komplexität kennzeichnen. Erstens Veränderung, eine Einflussgröße, die in erster Linie von außen auf das Unternehmen trifft und mit der ein Unternehmen umzugehen lernen muss. Die weiteren Einflussfaktoren sind Vielfalt und Vernetzung. Sie sind firmenintern gewachsen und damit für jeden Unternehmenslenker auch leichter beeinflussbar.

Gibts denn typische Prinzipien oder Ansätze, um das doch herausfordernde Thema Varianten- und Komplexitätsmanagement gesteuert anzugehen?

Um dieses Thema umfänglich zu behandeln, benötigt man eine konsequente Wertstromorientierung. Denn bei der Etablierung eines effizienten Variantenmanagements müssen alle relevanten Funktionen und angegliederten Bereiche einbezogen werden.

Es geht darum, das richtige Lösungsportfolio auszuwählen. Die meisten Unternehmen haben hierbei kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem. Denn es geht darum, adäquat darüber nachzudenken, welche Möglichkeiten der Standardisierung sich bieten. Das heißt: Wo können wir das Bauteilespektrum reduzieren, wo können wir sinnvoll aufräumen und dennoch denselben Kundennutzen stiften? Gleichzeitig denken wir über Modularisierung und Baukastenstrategien nach. Wie lassen sich innerhalb des Produktspektrums sauber abgeschlossene Module definieren, die wir durch eine sinnvolle Kombinatorik zu einer attraktiven Angebotspalette zusammenfügen können?

Es gibt bereits viele Unternehmen, die von den Vorteilen einer sauberen Modularisierung und Baukastenstrategie profitieren und damit extreme Kostenreduzierungen realisieren.

Wir als Lean Beratung verfolgen den Ansatz, Unternehmen so schlank wie möglich zu gestalten. Das bedeutet, bereits in der Entwicklung nachgelagerte Konsequenzen angemessen zu berücksichtigen. Also der Frage nachzugehen, welches Design in den Folgeprozessen zu einer effizienten und schlanken Abwicklung führt. Wir sprechen hierbei von einem Design-to-Lean-Ansatz, der bereits bei der Produktentwicklung alle Bereiche der Supply-Chain berücksichtigt. Die Szenarienbetrachtung beginnt bei der Beschaffung und hört im Aftersales auf.

Um von der Theorie zur Praxis zu kommen: Wie bereits erwähnt, haben viele Firmen kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem. Was empfehlen Sie den Unternehmen da draußen konkret?

Einen selbstkritischen Blick aufs eigene Unternehmen zu richten ist aus Beratersicht immer empfehlenswert. Einige wesentliche Fragen könnten sein: Wie entwickeln wir unser Produktportfolio und wie werden Portfolioentscheidungen getroffen? Was sind typische Kennzahlen, auf deren Basis wir diese Entscheidungen treffen?

Auch kann ich nur empfehlen, die eigene Produktentwicklung oder Konstruktion unter die Lupe zu nehmen, um zu überprüfen, wie die Anforderungen des Marktes in ein internes Verständnis überführt werden. Also zu prüfen, ob sich die Forderungen, die Kunden stellen, auch angemessen, sprich schlank und effizient übersetzen lassen. Wir stellen häufig fest, dass am Kunden vorbei entwickelt wird, dass man overengineert und damit zu komplex und zu teuer wird. 

Vielen Unternehmen fehlt die Transparenz, um über die noch nicht gehobenen Potenziale in ihrem Variantenmanagement auskunftsfähig zu sein, auch weil ihnen konkrete Zahlen, Daten und Fakten fehlen. Wie können Firmen erkennen, was für sie im Variantenmanagement noch zu holen ist?

Nun, zuallererst einmal über Kundenfeedback. Bekommen wir als Unternehmen genügend Rückmeldungen, ob unsere Produkte die Kundenerwartungen treffen oder ob sie zu teuer oder overengineert sind? Wird die Funktionalität im Produkt vom Kunden gebraucht und auch wertgeschätzt? Was sind die Lessons Learned oder ganz simpel die Lost-Quoten- bzw. Lost-Order-Analysen, die uns hierzu Hinweise geben.

Ein anderes Thema, das Rückschlüsse auf das Portfolio zulässt, ist die sogenannte Angebotshitrate. Das heißt, das Verhältnis von abgegebenen Angeboten zu erhaltenen Aufträgen. Zeigen sich womöglich Trends, an welchen Stellen wir nicht mehr attraktiv genug sind? Welche Ansätze gibt es, hier gegenzusteuern?

Ein ebenfalls wichtiger Faktor, der Aufschluss über ein optimiertes Produktportfolio gibt, ist die Kundenauftragsbearbeitung. Läuft sie schon wie am Schnürchen? Läuft sie effizient? Oder gibt’s hier noch hohe prozessuale Aufwände? Gibt es also Anzeichen dafür, dass wir einen überproportionalen Aufwand betreiben, um Kundenaufträge zu bedienen?

Zu guter Letzt sollte man sich auch die Kostenstruktur genauer ansehen. Welche Kosten verursachen die von uns getroffenen Variantenentscheidungen? Blicken wir nur auf Material- und Einzelposten oder schauen wir auch auf Investitionen und einmalige Entwicklungsaufwendungen, die angeblich notwendig sind?

Zusammengefasst lässt sich sagen: Wenn man sich kritisch mit den Themen Portfolio, Produkt, Wertschöpfungskette und Bewertungssystematik beschäftigt, dann fördert man jede Menge Ansatzpunkte zutage, über die sich spürbare Verbesserungen herbeiführen lassen.

Host

Dr. Thilo Greshake, Partner Automotive, STAUFEN.AG

ist promovierter Maschinenbauer und seit 2017 bei der Staufen AG tätig.
Mit über 15 Jahren internationaler Beratungserfahrung in Lean Development, Engineering und Process Excellence verantwortet er als Partner den Bereich Automotive.

Gast

Dino Munk, Partner, STAUFEN.AG

Dino Munk ist studierter Wirtschaftsingenieur und seit 20 Jahren eine feste Größe im Beratungsgeschäft der Staufen AG. Als Seniorpartner leitet er die Businessunit Holistic Transformation.

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