Hochkonjunktur für schlanke Prozesse

Februar 24, 2010 | News Schweiz

Wenn Erträge schmelzen, müssen Produktionsprozesse vereinfacht und Kosten gesenkt werden, ohne die Qualität zu vernachlässigen. Die Nachfrage nach Beratungsleistungen im Lean-Bereich nimmt in der Krise zu, trotz der aktuellen Probleme beim Vorreiter- Unternehmen Toyota. Die jüngsten Negativmeldungen haben Toyota zugesetzt. Zu verlieren hat der führende japanische Autohersteller nicht nur Kunden, sondern auch ein Image. Denn Toyota galt bisher weltweit als das Paradebeispiel, wie Produktionsprozesse ohne Qualitätseinbusse rasch und kostengünstig zu bewältigen sind. Toyota hat die japanische Management-Philosophie Kaizen salonfähig gemacht, die nach einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess sämtlicher Produktionsabläufe strebt.

Kaizen ist die Vorgängerin der heute bekannten Lean-Methoden. «Lean Development sichert die Vermeidung von Verschwendung im gesamten
Entwicklungsprozess vom Produktkonzept bis zum Produktionsstart», definiert David Moser, geschäftsführender Partner des Beratungsunternehmens Staufen, das sich auf Lean spezialisiert. «Die aktuellen Qualitätsprobleme bei Toyota haben mit der Methode Lean Development nichts zu tun», hält er fest und vermutet eher einen Zusammenhang mit der starken Expansion des Autoherstellers in den letzten Jahren. «Es ist vorstellbar, dass es Toyota in dieser Phase nicht gelungen ist, die Kaizen-Kultur und die bedingungslose Qualitätsorientierung flächendeckend auf alle Mitarbeitenden, Führungskräfte und Lieferanten zu übertragen», so Moser. Die fehlerhaften Gaspedale bei Toyota stammen von einer Zulieferfirma.

«TIME TO MARKET» VERKÜRZEN

Dass die Toyota-Probleme nicht direkt mit den Lean-Methoden in Verbindung gebracht werden, zeigt die im Moment rasant wachsende Nachfrage nach diesem Beratungsansatz in der Industrie. Für eine von Staufen organisierte Tagung mit dem Namen «Was wir von Toyota lernen können», bei welcher Jeffrey Liker, der amerikanische Bestseller-Autor von «The Toyota Way» auftreten wird, haben sich über 120 Unternehmer angemeldet. Alles potenzielle Neukunden für Lean-Beratung. Speziell in der Wirtschaftskrise, wo die Umsätze in vielen produzierenden Branchen bis 30% und mehr eingebrochen sind, steigt der Bedarf an neuen Ansätzen zur Kontrolle der Kosten und einer beschleunigten Entwicklung und Etablierung neuer Produkte am Markt.

BRANCHENÜBERGREIFENDER ANSATZ

Staufen und andere spezialisierte Beratungsunternehmen können Erfolge vorweisen. «Wir konnten dank Lean Development die Projektlaufzeit bei einigen unserer Kunden um 20 bis 60% reduzieren und damit eine rasche Markteinführung – «time to market» – von neuen Produkten erreichen», sagt David Moser. Parallel dazu wurden «Verschwendungen» im Produktentstehungsprozess reduziert und dadurch zum Teil massiv Kosten eingespart. Die Studie «Lean Development Deutschland» etwa hat gezeigt, dass in Entwicklungsprozessen 20 bis 30% der Kapazität von Unternehmen durch Verschwendung gebunden sind.

Ziel aller Lean-Development-Initiativen ist es, diese neu gewonnene Kapazität in wertsteigernde Tätigkeiten zu investieren. Anwendbar sind Lean-
Development-Methoden, die oft im Kontext mit anderen Lean-Management-Ansätzen (z.B. Lean Production) eingesetzt werden , grundsätzlich bei allen produzierenden Unternehmen, welche die wesentlichen Hauptprozesse wie Vertrieb, Entwicklung, Produktion und Zulieferkette im Haus haben. «Die Branche spielt dabei eine untergeordnete Rolle», sagt David Moser.

Das bestätigt Eva Manger-Wiemann. Als Managing Partnerin der Zürcher Meta-Consultingfirma Cardea hat sie die Berater-Branche im Überblick. «Da Lean Development sowohl auf der Kosten- wie auch Qualitätsebene ansetzt, ist es gerade in Zeiten der Krise branchenunabhängig ein sehr nachgefragtes Produkt.»

In den letzten zwei Jahren haben bei Cardea entsprechende Projektevaluationen zugenommen. Immer häufiger seien auch Kunden aus dem Dienstleistungsbereich interessiert. Fachleute schätzen, dass Beratungsprojekte im Lean-Bereich in den letzten zwei Jahren im zweistelligen
Prozent-Bereich zugenommen haben. Nicht nur für die produzierende Industrie, sondern auch für die Berater-Branche ist der Lean-Ansatz in der Krise ein Segen.

NACHGEFRAGT

«Beratungspartner sichert Tempo und Qualität»

Alex Naef ist CEO der Hess AG in Bellach SO. Das KMU ist im Fahrzeugbau tätig und hat mit der Beratungsfirma Staufen Projekte in Lean Production durchgeführt, einer mit Lean Development eng verwandten Methodik.

Was hat die Anwendung von Lean-Production- Methoden der Hess AG konkret gebracht? Alex Naef: Der komplexe und von vielen Beteiligten abhängige Herstellungsprozess kann termingetreuer abgewickelt werden. Störfaktoren werden dank konsequenter Umsetzung der Methodik frühzeitiger erkannt und konsequent beseitigt.

Welche konkreten Wettbewerbsvorteile verschafft Ihnen Lean Production in einem Umfeld der Krise?

Naef: Die Termintreue gegen- über der Kundschaft hat sich markant verbessert und die Qualität der Produkte ist stabiler geworden. Damit verfügen wir in einem immer härteren und globaleren Wettbewerb über Vorteile gegenüber den Mitbewerbern. In Krisenzeiten gilt dies ganz besonders.

Wie nachhaltig kann Ihr Betrieb von durchgeführten Lean-Production-Projekten profitieren?

Naef: Wir profitieren in doppelter Hinsicht von Lean Production. Die steigende Nachfrage nach unseren Fahrzeugen kann einerseits kurzfristiger, also mit weniger Produktionsstunden, und anderseits ohne grössere Investitionskosten abgedeckt werden. Das sind gute Voraussetzungen für neue Aufträge und nachhaltigen Erfolg.

Wie wichtig ist für den Erfolg die Methode selbst, wie wichtig der Beratungspartner?

Naef: Die Methode Lean Production an und für sich bringt nichts, wenn sie nicht optimal und auf die Bedürfnisse eines Unternehmens zugeschnitten umgesetzt wird. Hier sichert der externe Beratungspartner das Tempo der Veränderung wie auch die Qualität.

Haben die aktuellen Probleme bei Toyota, einem Pionier in der Anwendung von Lean-Methoden, bei Ihnen Zweifel ausgelöst?

Naef: Nein, letztlich erarbeitet jeder Konzern und jedes KMU die auf ihre jeweiligen Bedürfnisse zugeschnittene Arbeitsmethode. Bei uns kommt explizit das Hess-Produktionssystem zur Anwendung, und davon bin ich zu 100% überzeugt.

Robert Wildi

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