Fünf weit verbreitete Vorurteile auf einen Streich widerlegt

November 9, 2009 | News Deutschland

Ein häufig gegen Lean Management geäußerter Vorwurf lautet, dass es aufgrund der Fixierung auf die Automobilindustrie nicht für den Maschinenbau verwendbar sei. Die Praxiserfahrungen mit schlanken Produktionsprozessen widerlegen diese These und weitere Vorbehalte. Gerade in der derzeitigen Krise können die Prinzipien des Lean Management der Schlüssel für wirtschaftliches Produzieren und damit für den Erhalt eines Unternehmens sein. Best-Practice-Betriebe zeichnen sich dadurch aus, dass sie bereits schlanke Prozesse etabliert haben und dem Abschwung gelassener begegnen können. Die Vorurteile der Industrie gegen die Anwendung der Methoden und Werkzeuge nach Toyota sind leicht theoretisch zu widerlegen – und am Beispiel von Homag auch praktisch zu entkräften. Vorurteil 1: Die Produktvarianz im Maschinenbau macht Standardprozesse unmöglich. Kaum eine Maschine gleicht der anderen. Nach der vorherrschenden Meinung unterscheidet vor allem diese hohe Produktvarianz den Maschinenbau von der Automobilindustrie. Standardisierte Prozessabläufe, die dort erfolgreich sind, scheinen deshalb nicht übertragbar. Wie ist zum Beispiel die stark variierende Zahl der Montagestunden in eine kontinuierliche Fließfertigung zu bringen? Tatsächlich lässt sich auch für sehr unterschiedliche Varianten einer Produktgruppe eine Montagelinie aufbauen. Lean Management muss auf individuelle Unternehmensanforderungen zugeschnitten werden. Wichtig ist jedoch die Erkenntnis, dass die Grundsätze des Toyota-Produktionssystems, auf dem Lean Management beruht, niemals direkt übertragbar sind. Es gilt immer, die individuellen Unternehmensanforderungen sowie die besonderen Gegebenheiten einer Branche zu berücksichtigen. Darüber hinaus geht es um eng zusammenwirkende Methoden und Werkzeuge und nicht um isoliert anwendbare Einzelmethoden. Für Homag war die Orientierung an den Prinzipien des Homag-Group-
Produktionssystems (HGPS – siehe Kasten) ein wichtiger Schritt weg vom
punktuellen Denken. Wurde etwa einst zur Optimierung der Produktion eine neue Maschine gekauft, stand nur ihre Funktion im Mittelpunkt. Heute werden auch vor- und nachgelagerte Prozesse betrachtet. Vorurteil 2: Lean Management funktioniert im Maschinenbau nur eingeschränkt.
Lean Management ist seit den 90er Jahren auch im Maschinenbau ein Thema.
Viele Akteure sind überzeugt, alle Möglichkeiten zu nutzen. Das Beispiel Homag zeigt jedoch, dass es große Unterschiede in der Konsequenz der Umsetzung gibt. Das Unternehmen ist in vielen Bereichen inzwischen ähnlich professionell wie Best-Practice-Firmen der Automobilindustrie. Beispiele sind der kontinuierliche Verbesserungsprozess (KVP), die internen Optimierungs-Workshops oder die Schulung der KVP-Moderatoren. Letztere sollen wie echte Berater agieren. Führungskräfte sind ein zentraler Erfolgsfaktor Deshalb setzt das Unternehmen auf wenige, hochqualifizierte Experten mit einem umfassenden Lean-Verständnis und hoher Umsetzungskompetenz. Sie tragen wesentlich zur Projektrealisierung bei und fördern gleichzeitig den Lean-Management-Gedanken in den Unternehmen der Homag-Gruppe. Das Management wiederum stärkt den KVP-Moderatoren den Rücken. Die Führungskräfte sind – ausgehend vom Beispiel Toyota – ein zentraler
Erfolgsfaktor. Sie müssen von der Sache überzeugt sein und zudem die Fähigkeit besitzen, ihre Visionen zu einem realen Bild umzuwandeln, sie vorzuleben, weiterzugeben und weiterzuentwickeln. Vorurteil 3: Die IT-gestützten Planungssysteme sind nicht für Lean Production
ausgerichtet. Die Strukturen im Maschinenbau sind häufig stark IT-gestützt.
Allerdings liegen diesen Systemen nicht die Lean-Prinzipien zugrunde, sondern
veraltete Annahmen aus den 1970er Jahren. Stichworte wie
„Reservierungssystematik“ sind fest verankert und die Prozesse in der Produktion müssen sich dem System unterordnen. IT-System muss den neuen Prozess unterstützen Soll Lean Production jedoch ernsthaft eingeführt werden, ist genau das
Gegenteil richtig: Das IT-System muss den neuen Prozess unterstützen.
Homag denkt derzeit über eine neue Enterprise-Resource-Planning-
(ERP-)Software einschließlich eines Produktionsplanungs- und Steuerungs-Systems (PPS) nach. Da das damit befasste Team mittlerweile die optimalen praktischen Bedingungen kennt, kann es sich nun auch passende Software-Lösungen vorstellen und entsprechende Anforderungen in den Pflichtenheften formulieren. Vorurteil 4: Lean-Methoden wie eine getaktete Fließmontage entmündigen die
Mitarbeiter und verwandeln sie in Roboter. Veränderungen verursachen oft Angst in der Belegschaft und unter den Führungskräften. Nur die intensive Einbindung der Mitarbeiter im Verbesserungsprozess garantiert den Erfolg, den beispielsweise die Einführung einer getakteten Fließmontage erzielen kann.

Zunehmende Variantenvielfalt macht Tätigkeiten nicht weniger anspruchsvoll. In der Tat werden hierbei Arbeitsinhalte durch Standardisierung und Taktung
teilweise kleiner. Aufgrund der Variantenvielfalt, die in der Regel auf einer Linie
produziert wird, werden die Tätigkeiten jedoch nicht weniger anspruchsvoll.
Flexible und gut qualifizierte Mitarbeiter sind hier gefragt. Die Erfahrung zeigt, dass ihre Zufriedenheit nach der Umsetzung von Lean-Prinzipien deutlich größer ist: Viele Probleme sind gelöst und ein ergonomisches und einfacheres Arbeiten ist möglich. Vorurteil 5: Wesentliche Potenziale liegen nicht in der Produktion, sondern in den indirekten Prozessen wie Entwicklung, Konstruktion oder im Projektmanagement. In der Praxis zeigt sich tatsächlich, dass ein optimales und montagegerechtes
Produktdesign, eine hohe Teileverfügbarkeit sowie die Synchronisierung aller
Prozesse in der Projektabwicklung wichtige Stellhebel darstellen. Es wäre allerdings ein Trugschluss, anzunehmen, dass diese Potenziale auch ohne schlanke Produktionsprozesse gehoben werden könnten. Lean Production übt Druck auf die indirekten Bereiche aus Erfahrungsgemäß übt erst die Umsetzung von Lean Production den notwendigen Druck auf die indirekten Bereiche aus, eigene Probleme nachhaltig anzugehen. Homag hat ein Eskalationsmanagement eingerichtet, das sämtliche Störungen in der Taktmontage erfasst und einem entsprechend strukturierten
Problemlösungsprozess zuführt. So konnte etwa die Zahl der Fehlteile in der
Montage in kürzester Zeit mehr als halbiert werden. Fazit: „,Geht nicht‘ gibt’s nicht“ – dieses Motto gilt auch für das erfolgreiche Lean Management in Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus. Es muss lediglich die Bereitschaft für Veränderung bestehen. Positiv an der aktuellen Wirtschaftskrise ist, dass sie den Druck erhöht, Prozesse zu hinterfragen. Im Sinne nachhaltiger Verbesserung sollte dennoch „schlank statt magersüchtig“ gelten.

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