„Das Geschäftsmodell Deutschland modernisieren!“ – Christian Lindner

März 29, 2019 | News Deutschland

POLITICS & ECONOMY, 25. März 2019, Schloss Köngen

Wenn der Bundesvorsitzende der FDP vor Unternehmern im liberalen Stammland Baden-Württemberg auftritt, spricht man gern von einem Heimspiel. Für Christian Lindner war das auf der Staufen-Veranstaltung „Politics & Economics“ aber kein Grund, weniger kämpferisch als sonst aufzutreten. Im Gegenteil: Der Vorsitzende der Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag machte sehr klar, dass „eine neue Wachstumsagenda für Deutschland“ nur funktionieren wird, wenn auch in der Wirtschaft in wichtigen Punkten ein Umdenken stattfindet.

Als Christian Lindner nach der Begrüßung durch Staufen-Vorstand Wilhelm Goschy am Montagabend das Mikrofon übernahm, war die „Schlosskapelle“ (der größte Saal im Schloss Köngen) bis auf den letzten Platz gefüllt. Nicht nur rund 100 Inhaber, Vorstände und Geschäftsführer aus der deutschen Industrie waren der Einladung der Staufen AG gefolgt, sondern auch Dieter Althaus, ehemaliger CDU-Ministerpräsident von Thüringen, Lindners Partei-Kollege Helmut Haussmann, von 1988 bis 1991 Bundeswirtschaftsminister im Kabinett Kohl, sowie FDP-Landtagsabgeordneter Ralph Bombis und Michael Theurer, Mitglied des Bundestages und Landesvorsitzender der FDP in Baden-Württemberg.

„So stabil wie heute, wird es nie wieder sein“, mahnte der FDP-Chef Lindner gleich zu Beginn seines in fünf thematische Blöcke gegliederten Vortrags. Er halte es daher für verantwortungslos, wie die Große Koalition finanzielle Geschenke (Mütter-Rente, Baukindergeld, …) verteile, während die Risiken (Brexit, China, …) ständig steigen. Diese „haushaltspolitische Schieflage“ laufe laut Lindner darauf hinaus, dass die Politik die Möglichkeit verliere zu gestalten. Er fordert daher ein Moratorium für neue Ausgaben. Deutschland fahre „auf Verschleiß“ und sei gleichzeitig „Weltmeister bei Steuern und Abgaben“, so Lindner.

Neben dem Verlust der finanziellen Gestaltungsmöglichkeit ist für Lindner der Bürokratismus die größte Gefahr für den Wohlstand. Als Beispiele nannte er die deutsche Umsetzung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sowie die aktuellen Pläne des Bundesarbeitsministeriums zum Rechtsanspruch auf Teilzeit im Homeoffice. „Und auch die Industriestrategie von Wirtschaftsminister Altmaier ist nur von Bürokraten am Reißbrett entworfen“, kritisierte der FDP-Chef.

Auf teilweise deutlichen Widerspruch stieß Lindner bei den Zuhörern mit seinem Vorschlag, den Bildungsföderalismus zu modernisieren. Die Befürchtung vieler Teilnehmer: Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner statt Bildungsrepublik Deutschland. „Baden-Württemberg steht nicht mit Niedersachsen in Konkurrenz, sondern Deutschland mit China und den USA“, entgegnete der FDP-Politiker seinen Kritikern. „Das ist also eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.“

Und auch beim Thema Fachkräftemangel mahnte er ein Umdenken an. Lindner sprach sich für eine Einwanderungspolitik aus, die auf einem Punkte-System basiert wie in Kanada, um ganz gezielt die benötigten Arbeitskräfte aus dem Ausland nach Deutschland zu holen. Das funktioniere aber nur, wenn diese qualifizierten und motivierten Menschen dann auch von der Gesellschaft und speziell der Wirtschaft aufgenommen würden. „Hier haben wir ganz klar immer noch ein Toleranz-Problem, wenn Menschen wegen ihres Namens oder ihrer Ethnie nach wie vor nicht zu Vorstellungsgesprächen eingeladen werden oder weniger Karriere machen und dann auch schlechter verdienen“, nahm Lindner die Top-Manager in die Pflicht.

Fünfter und letzter Punkt auf der Wachstums-Agenda des FDP-Vorsitzenden war schließlich die Digitalisierung. Lindner zog die Parallele zu einem Eishockey-Match: „Das erste Drittel – Thema Hardware – und das zweite Drittel – Thema B2C-Plattformen – hat Deutschland beide verschlafen. Beim dritten Drittel – Thema Industrie 4.0 und B2B-Plattformen – gibt es aber noch Hoffnung.“ Insgesamt werde ihm die Digitalisierung zu zögerlich angegangen. Außerdem fehle eine digitale Agenda für den Staat selbst. Wie es besser gehen könne, zeige die Digitalisierung der Anmeldung von Unternehmensgründungen in Nordrhein-Westfalen. Einsparpotenzial laut Lindner: 500.000 Arbeitsstunden pro Jahr.

In seinem Fazit betonte Lindner, dass er das politische Konzept ablehne, Menschen ständig Angst zu machen. Zumal die von ihm beschriebenen Punkte auch Mut erforderten. Abschließend wurde der FDP-Chef gefragt, mit welcher Botschaft er denn bei den nächsten Wahlen antreten werde, um aus der Agenda auch ein Regierungsprogramm machen zu können. Lindners Antwort: „Das Geschäftsmodell Deutschland modernisieren!“

UNSER GAST

Christian Lindner (*7. Januar 1979) ist Mitglied des Deutschen Bundestages sowie Vorsitzender der Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag. Im Dezember 2013 wurde Christian Lindner zum Bundesvorsitzenden der Freien Demokraten gewählt. Bei der Bundestagswahl im September 2017 führte er die FDP nach vier Jahren in der außerparlamentarischen Opposition zurück in den Deutschen Bundestag. Christian Lindner gehört der FDP seit 1995 an. 2000 wurde er als Abgeordneter erstmals in den nordrhein-westfälischen Landtag gewählt. Von 2012 bis 2017 war er Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion NRW. Der Wermelskirchener studierte Politikwissenschaft, Öffentliches Recht und Philosophie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Von 1997 bis 2004 war Lindner Inhaber einer Werbeagentur sowie Mitgründer eines Internet-Unternehmens.

UNSER THEMA

Die Welt verändert sich und mit ihr auch die Standortbedingungen für unsere Wirtschaft. In Zeiten des disruptiven Wandels sind couragierte Richtungsentscheidungen gefragt, um unseren Wohlstand auch für die Zukunft zu sichern. Der entfesselten Dynamik in der Politik, den Märkten und den Technologien muss man entschlossen und mutig entgegentreten. Deutschland muss wieder zum aktiven Gestalter des Wandels werden. Christian Lindner spricht über eine neue Agenda, die Deutschland braucht, um auch in Zukunft Wohlstand zu erwirtschaften.

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