Trotzdem sollte Führung es ermöglichen
Dass Führungskräfte mehrere Rollen einnehmen sollen, ist nicht neu. Dass sie zuweilen in der Rolle des Mentors gefragt sind, wenn es darum geht, dem Mitarbeiter etwas zu erklären, ihn während eines Gedankenexperiments anzuleiten, bereitet oft Unbehagen auf beiden Seiten.
Wann ist es das letzte Mal vorgekommen, dass sich Ihr Vorgesetzter mit Ihnen so intensiv auseinandergesetzt hat, dass Sie beide etwas gelernt haben?
Am besten sollte die ganze Organisation lernen. Die lernende Organisation sei die Voraussetzung, um im Markt erfolgreich zu sein. Zu Toyota existiert dazu der Kalauer, das Unternehmen sei die größte Ausbildungsstätte mit angeschlossener Automobilproduktion. Und es solle permanent gelernt werden – weil es ja auch Spaß mache. Aber stimmt das?
Was passiert beim Lernen? Wann hat es stattgefunden? Lernen ist die Veränderung des eigenen Interpretationsmusters. Dem Lernen geht also der Irrtum voraus. Lernen basiert auf der Einsicht, dass es anders ist, als vorher angenommen wurde. Lernen ist nicht die Fähigkeit, Wissen anzusammeln. Dies wäre eher ein Beweis für die eigene Merkfähigkeit bzw. Aufnahmekapazität und nicht für die Fähigkeit, einen Sachverhalt zu verstehen. Aber wer irrt schon gerne? Wer fühlt sich nach einem begangenen Irrtum gut? Niemand irrt gerne – schon gar nicht, wenn es die Umwelt sofort registriert.
Hier wird ein Widerspruch erkennbar: Einerseits wissen wir, dass Irrtum notwendig ist, andererseits wollen wir ihn nicht erleben. Wundern wir uns als Führungskräfte also nicht, wenn Mitarbeiter keinen Spaß daran haben, wenn sie sich dem Risiko des Irrtums aussetzen sollen. Eine differenzierte Antwort auf die Frage: warum und wozu soll gelernt werden, reduziert das Risiko erheblich. Denn solange sich die Begründung für lebenslanges Lernen einzig auf die Forderung nach einer Anpassungsleistung an ökonomische Bedarfe stützt – der Markt also bestimmt, was man lernen soll –, so lange wird Lernen mehr als ein Akt der Unterwerfung (Begrenzung von Autonomie) statt als ein Akt der Befreiung angesehen werden.
Die Chance auf ein Lernen durch Einsicht besteht jedoch nur dann, wenn wir freiwillig unsere Haltung zu dem Thema ändern können. Dann leisten wir Gefolgschaft, nicht weil wir es müssen, sondern weil wir es wollen.