Mit 148 Jahren Firmenhistorie ist der Göppinger Automobilzulieferer Bader einige Jahre älter als das Automobil selbst.
Erst Anfang der 1980er-Jahre fanden das Familienunternehmen und die Automobilindustrie zusammen. Diese Entscheidung darf ohne Übertreibung als zweite Unternehmensgründung des Lederspezialisten bezeichnet werden, stieg die Zahl der Mitarbeitenden seitdem doch von 150 auf mehr als 12.000 – an 11 Standorten auf 5 Kontinenten. Das Familienunternehmen wird aktuell in 4. Generation von Thomas Bader geführt, die 5. Generation wirkt aber bereits in allen Bereichen mit. Ein neues globales Produktionssystem soll den Wachstumspfad auch in der Zukunft auf ein sicheres Fundament stellen.
Wer das Foyer des Göppinger Traditionsunternehmens Bader betritt, wird nicht lange im Unklaren gelassen. Hier geht es um das, was auch rund 130 Jahre nach der Erfindung des Automobils bei großen wie kleinen Autonarren in Sachen Ausstattung immer noch für volle Begeisterung sorgt: Leder. Egal ob Sitzbezug, Armlehne, Lenkrad, Türverkleidung, Instrumententafel, Schaltknauf oder Schaltbalg – die 1872 als Gerberei für Schuhleder gegründete Rosslederfabrik Otto Bader (heute Bader GmbH & Co. KG) gehört zu den führenden Lederherstellern für den globalen Automobilmarkt.
„Leder hat viele einmalige Eigenschaften, die kaum ein anderes Material erreicht“, schwärmt Bader-Prokurist Florian Oeser, während er an den zahlreichen in der Eingangshalle präsentierten Ledersitzen vorbei auf eine Vitrine zusteuert, die mit Ausstellungsstücken an die Ursprünge des Unternehmens erinnert. Oeser, der als Head of Sewing Business weltweit alle Nähbereiche bei Bader verantwortet, betont zudem die Nachhaltigkeit von Leder: „Unser Rohstoff ist – die wichtige Diskussion um unseren Fleischkonsum immer im Hinterkopf – ein Nebenprodukt der Lebensmittelindustrie, mit dem wir bei allen Schritten der Lederproduktion sehr verantwortungsvoll umgehen.
„Perfekter Partner mit globalem Footprint“
Um diese hohe Fertigungstiefe sowie das enorme Wachstum der vergangenen Jahre dauerhaft in eine Form zu bringen, mit der die erreichte Position am Weltmarkt verteidigt oder sogar ausgebaut werden kann, hat Bader zusammen mit der Staufen AG das „Bader Operating System” (BOS) entwickelt. Dieses nun konsequent weiterzuentwickeln und an allen Bader-Standorten auszurollen, das ist die Aufgabe von Thomas Edelmann. „Gerade in der Entwicklungs- und Roll-out-Phase brauchten wir dazu einen Partner mit globalem Footprint”, so der Head of Global Lean Management. „Dass die Staufen AG unter anderem sowohl in Mittel- und Osteuropa als auch in Mexiko über eigene Büros mit heimischen Beratern verfügt, war daher für uns perfekt.”
Laut Staufen-Projektleiter Stephan Panian, ging es von Anfang an darum, das Produktionssystem so konkret wie möglich zu machen, also nicht nur ein gemeinsames Verständnis von Qualität, Kundennähe und Flexibilität zu schaffen, sondern allen Mitarbeitern und Führungskräften auch eine „Toolbox” zur Verfügung zu stellen. „ Das BOS bringt durch die Standardisierung von Herangehensweisen sowie durch klare Prinzipien enorm viel Stabilität und damit auch Sicherheit in unsere Abläufe“, so Lean-Experte Edelmann. „Die Basis dafür bildet das neue Workshop-Konzept, also die tiefgehende Analyse eines konkreten Problems durch jeweils eine kleine, interdisziplinäre und schlagkräftige Truppe mit anschließend einheitlicher Anwendung der Lösung innerhalb der gesamten Organisation.“
Ukraine: Von 40 auf 4.000 Mitarbeitende innerhalb von 10 Jahren
Um solche Veränderungen in einem internationalen Unternehmen zum Erfolg zu führen, dessen Werke weitestgehend eigenständig agieren und zudem durch unterschiedliche Führungskulturen geprägt waren und auch immer noch sind, mussten alle Standorte von Anfang an eng eingebunden werden. Daher waren alle beteiligten Werke durch Vertreter Teil des sogenannten Core-Teams, das in der 2018 angestoßenen Workshop-Kaskade in Sachen BOS praktisch den Workshop Nummer 1 bildete.
Diesem Team gehört seit der ersten Stunde auch Rudolf Bobrov an. Der COO der Bader-Werke in der Ukraine stand dabei vor ganz besonderen Herausforderungen: „Als ich 2009 nach Horodok gekommen bin, waren wir 40 Mitarbeiter, nun sind es 4.000 Mitarbeiter. Auch wenn es uns immer gelungen ist, die Qualitätsansprüche der Kunden trotz des immensen Wachstums zu erfüllen, blieb doch zu wenig Zeit, um in den Prozessen zusätzliches Verbesserungspotenzial aufzuspüren. Mit Lean und BOS haben wir dafür jetzt die richtigen Werkzeuge.“ Unterstützt von Staufen-Beratern der polnischen Niederlassung wurden in der Ukraine bereits im ersten Jahr mehrere Leuchtturm-Projekte gestartet. Mit Erfolg: So konnte allein in der Näherei die Produktivität spürbar verbessert werden. Auch beim Lederzuschnitt sowie in der Logistik wurden schnell Verbesserungen erreicht. Wären diese Erfolge früher eine rein ukrainische Angelegenheit geblieben, so stehen die in Horodok erarbeiteten Lösungen nun auch den anderen Standorten umgehend zur Verfügung. „Wir haben jetzt standardisierte Prozesse und Dokumentationen, die uns den Austausch enorm erleichtern“, so Werkleiter Bobrov.
Das sieht auch sein mexikanischer Kollege CEO Jorge Veloz mit seinem lokalen BOS-Manager so. Laut Veloz war vor allem die Einbeziehung des Top-Managements von Beginn an ein wichtiger Erfolgsfaktor für das Leuchtturm-Projekt in Mexiko. Ein bereits vorhandenes Grundwissen der Lean-Philosophie unter den Mitarbeitenden war ein weiterer Vorteil. Für die Zukunft erhofft sich Veloz eine spürbare Verbesserung der Finanzkennzahlen sowie einen Mentalitätswechsel auf allen Organisationsebenen, mit der Folge, dass die „Workshops“ zur täglichen Routine und nicht wie bisher nur sporadisch eingesetzt werden.
Auch beim Roll-out in Mexiko war es sehr hilfreich, dass mit lokalen Staufen-Beratern zusammengearbeitet wurde. „Gerade, wenn es um kulturelle Fragen geht, ist der Vorteil von Muttersprachlern enorm“, so Bader-Manager Oeser. „Zudem sollen die Standorte zwar voneinander lernen, aber niemand bekommt etwas übergestülpt. An allen Standorten werden ebenfalls Workshops durchgeführt, damit die jeweiligen Mitarbeitenden, die für den Erfolg des BOS elementaren Erkenntnisse selbst erarbeiten und verinnerlichen können.“ Und Lean-Experte Edelmann ergänzt: „Das Wissen, das unseren Erfolg ausmacht, steckt an jedem Standort in den verschiedenen Hierarchieebenen. Daher muss dieses Wissen an einen Tisch geholt werden, um schnell in die Umsetzung zu kommen.“
Was sagen nun die Kunden zum neuen Bader Operating System? Bei den branchenüblichen Werksbesuchen und Audits kommt das neue Produktionssystem sehr gut an. Immer mehr OEMs machen bestimmte Standards in der Produktion, aber auch in der Logistik mittlerweile sogar zur Voraussetzung einer Zusammenarbeit.
Wenn Sie weitere Fragen haben, nehmen Sie gerne Kontakt mit mir auf
STEPHAN PANIAN, Partner, STAUFEN.AG
Leitung von Projekten zur Einführung und Umsetzung von Produktionssystemen, Shopfloor Management, Toyota Kata und globalen Lean-Trainingsprogrammen
Lean Trainer und Management Coach
Telefon: +49 7024 8056 0, E-mail: contact@staufen.ag