Ihr Lebenslauf ist nicht immer geradlinig verlaufen – glauben Sie, dass ein Mensch auch als Führungskraft an Umbrüchen wächst?
Wenn man sehr zukunftsorientiert ist, gibt es natürlich viele unwägbare Risiken, die Umorientierung nötig machen. Reine Verwaltung eines Geschäfts geht sicher viel geradliniger.
1993 sind Sie nach Korea zum Daewoo-Konzern gegangen. Was waren Ihre Erfahrungen vor Ort, speziell in Sachen Führungskultur?
Korea – ohne Rückkehrgarantie – war natürlich eine Herausforderung, ein „eye opener“ für die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen im 21. Jahrhundert. Der konfuzianische Führungsstil war und ist ein wesentlicher Faktor für die Entwicklungsgeschwindigkeit in Korea und China. Ich konnte gut damit leben.
Wie wichtig sind Ratio, Kreativität und Leidenschaft auf der Herstellerseite für eine Automarke?
Leidenschaft und Kompetenz waren bei Aston Martin bei vielen Mitarbeitern vorhanden. Mit dem Ausbau der Organisation und neuen Mitarbeitern kamen auch Kreativität und Ratio dazu. Ein exklusives Produkt muss auch emotional sein, aber ohne Ratio geht auf der Entwicklungsseite so gut wie nichts.
Man müsse im organisierten Chaos arbeiten, haben Sie einmal gesagt. Was bedeutet das, welche Strukturen müssen dafür gesetzt sein?
Aus dem organisierten Chaos ergeben sich immer wieder neue Szenarien und Horizonte. Chaos braucht einen Leader, der die Richtung vorgibt und weiß, was im nächsten Schritt zukommt es erreichen ist. Chaos ergibt selten Perfektion, aber Perfektion ist auch der Tod der Innovation. Also kommt es auf die richtige Mischung und das Judgement des Leaders an.
Aston Martin hatte eine Geschichte voller Krisen hinter sich.Was lief schief im Hause Aston Martin und was haben Sie anders gemacht?
Nach einer Blütezeit in den 50er und 60er-Jahren mit Le-Mans-Siegen und ikonischen Produkten wie DB4/5/6 folgte Orientierungslosigkeit. Nicht wettbewerbsfähige Produkte und ein ungeeignetes Händlernetz führten zu minimalen Stückzahlen und finanziellen Verlusten. Der Tiefpunkt lag 1992 bei 46 verkauften Fahrzeugen. Dann hat sich Ford erbarmt. Es dauerte aber noch bis 2000, als mit meiner Anstellung der nachhaltige Aufstieg begann.
Wie schafft man es überhaupt, in einem Unternehmen mit so schwieriger Vergangenheit wieder für Optimismus und Begeisterung zu sorgen?
Die Hoffnung stirbt bekanntlich ja zuletzt und die Engländer geben auch nicht so leicht auf. Ich war ja anders als mein Vorgänger aus den Ford-Etagen in England als Ingenieur durchaus renommiert. Dazu hatten meine Projekte BMW Z1, verschieden Porsche-Modelle, der Daewoo Matiz und der Motorsport beigetragen. Ich wurde also in der Öffentlichkeit mit großen Erwartungen aufgenommen. Ich habe für Aston Martin eine Vision entwickelt, die auf Qualität, Zuverlässigkeit und Gebrauchstüchtigkeit basierte, mit den vier Säulen Produkt, Image, Händlernetz und Kundenerfahrung. Für das Produkt habe ich eine umfassende modulare Baukastenstrategie formuliert, die in der Ausführung letztlich die Basis aller Modelle bis 2015/16 mit über 20 Varianten war. Die Mitarbeiter haben sehr schnell den Charme dieser Strategie verstanden und über die Jahre umgesetzt.
Sie sind aktiver Rennfahrer. Was haben Sie daraus für Ihre Führungsfähigkeiten mitgenommen?
Im Rennsport kommt es auf reibungslose, effektive Teamarbeit an. Wenn Probleme auftreten, werden sie zuerst gelöst. Der „Schuldige“ wird, wenn überhaupt, erst nach dem Rennen gesucht. Dann wird analysiert, warum es Probleme gab und wie sie in Zukunft zu vermeiden sind. Fehler können passieren, aber nicht zweimal derselbe!
2013 traten Sie als CEO von Aston Martin zurück. Hat es Sie oft gejuckt, sich weiter in das operative Geschäft einzubringen?
In diesem Jahr feierte Aston Martin sein 100-jähriges Bestehen mit allen Modellen der Firmengeschichte, durch die ich Prince Andrew führen durfte. Ich begrüßte dazu zahlreiche Freunde aus allen Ländern. Das war für mich ein würdiger Abschluss. Auf einem Höhepunkt loszulassen ist aus meiner Sicht das Beste, was man als Führungskraft tun kann.
Die Automobilindustrie hat es derzeit nicht leicht: Diskussionen über das Ende des Verbrennungsmotors, autofreie Städte und im Fall von Aston Martin auch der Brexit. Wie sehen Sie in diesem Umfeld die Zukunft des Unternehmens?
Eine komplexe Frage. Aber auf einen kurzen Nenner gebracht wird Aston Martin als Luxusprodukt das denkbare Aus des individuell genutzten Massenautomobils genauso überleben, wie die Rennpferde die Masse der Arbeitspferde überlebt haben.