
Vom Skeptiker zum Vorreiter
Wie ein Medizingerätehersteller durch Lean Management neues Leben eingehaucht bekamAn einem deutschen Produktionsstandort eines international führenden Medizintechnikherstellers herrschte lange Zeit ein niedriger Ruhepuls. Verschiedene Akteure waren nur bedingt veränderungsbereit und mit dem Status quo zufrieden. Doch innerhalb weniger Monate gelang es, den Standort zu einem begeisterten Lean-Vorreiter im Konzern zu transformieren – ein Wandel, der weit über reine Prozessoptimierung hinausgeht.
Als einer der Projektverantwortlichen vor einem Jahr seine 15-jährige Betriebszugehörigkeit feierte, stand er vor einer besonderen Herausforderung. Der deutsche Standort, an dem Produkte für den globalen Markt gefertigt werden, sollte dimensional zusammengelegt werden. Das Unternehmen wollte seine Produktionsfläche verschlanken und näher zusammenrücken. Es gab da leider nur ein geräumiges Problem, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes: Das neue Gebäude bot schlicht zu wenig Fläche, und niemand hatte eine konkrete Idee, wie sich das bewerkstelligen ließe.
Hinzu kam eine Belegschaft, die Veränderungen gegenüber skeptisch eingestellt war. „Für Veränderungen gab es keine strukturierte Vorgehensweise, Lean- und Shopfloor Management genossen keine Priorität“, beschreibt Staufen-Partnerin Helena Reichmann die Ausgangssituation.
Vertrauen durch Erfolg schaffen
Der Durchbruch kam über systematisches Vorgehen: Statt direkt mit theoretischen Lean-Konzepten zu beginnen, startete das Staufen-Team mit einer umfassenden Fabrikplanung. Bevor mit dem Layout begonnen wurde, musste klar sein, wo es weh tat. Die Analyse offenbarte nicht nur Probleme bei Materialflüssen, sondern auch erhebliche Potenziale innerhalb der einzelnen Montagebereiche.
Nun hätte das Projektteam auf die vollständige Fabrikumgestaltung warten – oder einen Teilbereich im Vorfeld isoliert herausgreifen können: Die Entscheidung war schnell gefallen, da Warten aus der Perspektive des Projektteams nicht wirklich eine Option darstellte. So lag der Fokus schnell auf der Montage.
Das Team visualisierte das neue Konzept über das bewährte Cardboard-Vorgehen. Dabei wurden die Mitarbeitenden von Anfang an intensiv eingebunden. Dem Team war es wichtig, das gesamte Kollegium auf allen betrieblichen Ebenen abzuholen und ihnen verständlich zu erklären, warum und was gemacht werden würde und vor allem, welche Vorteile es für sie bedeuten würde.
Beeindruckende Ergebnisse in Rekordzeit
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: In nur drei Monaten – vom 13. Januar bis zum 1. April – wurde die Montage komplett umgestaltet. Das Ergebnis: 50 Prozent weniger Fläche, 30 Prozent Reduzierung der Montagezeit und eine Gewichtsreduktion von 95 Prozent bei den zu transportierenden Teilen – ein enormer Gewinn für die Ergonomie am Arbeitsplatz.
Laut dem Projektverantwortlichen wurde früher praktisch im Lager gefertigt. Es gab zu viele Bestände an den Linien, die niemand verbaute. Durch eine neue Arbeitsplatzversorgung, die taktgerichtet und variantenbezogen das Material zur Linie bereitstellt, konnte diese Verschwendung eliminiert werden.
Gleichzeitig wurden die Aufgabenpakete neu zugeschnitten, sodass nun alle zwei Stunden die Arbeitsmenge an die nächste Station weitergegeben wird.

Kulturwandel durch Erfolg
Was als reine Flächenoptimierung begann, entwickelte sich zu einem umfassenden Kulturwandel. Zu Beginn herrschte nahezu umfassende Skepsis. Doch das änderte sich schnell. Entscheidend für den Erfolg war die intensive Begleitung vor Ort. Helena Reichmann betont, dass das Team nicht nach Schema F vorgegangen sei, sondern einen an Kundenbedürfnisse angepassten Ansatz gewählt habe. Dabei erwies sich der Projektverantwortliche als entscheidende Schnittstelle: Er war sowohl sehr nah an den Beraterinnen und Beratern wie auch an Werksleitung und Mitarbeitenden. Diese drei Ebenen überblickte er rundum und sorgte stets dafür, dass die richtigen Informationen ankamen und schnelle Entscheidungen getroffen wurden.
Von Skepsis zu Begeisterung
Der Wandel in der Belegschaft war bemerkenswert. Ein Kollege habe ihn mal angesprochen, was denn das für Personen seien, die da ständig vor Ort seien, erzählt der Projektverantwortliche. Zunächst sei die Skepsis groß gewesen. Doch der anfängliche Widerstand sei zunehmender Begeisterung gewichen. Das Team habe es geschafft, dass dort jetzt wirklich eine Bereitschaft da sei: Lasst uns das anpacken, Lean ist gut, Shopfloor Management hilft uns. Besonders beeindruckend fiel die Reaktion des internationalen Managementteams aus. Es nahm sich Zeit, sprach mit den Mitarbeitenden, begutachtete vor Ort die Linie, war offensichtlich beeindruckt und bedankte sich bei dem Team für die großartigen Ergebnisse.
Dabei geht es längst um mehr als nur Effizienzsteigerung. Das Spannende in der Zusammenarbeit ist, dass sich immer neue Ideen entwickeln. Es soll nicht nur eine reine Beratung sein, sondern es geht darum, diese Fähigkeiten und Herangehensweisen auf die betriebseigenen Ingenieure und Führungskräfte zu übertragen.
Der Weg in die Zukunft
Das Projekt in der Montage soll nur der Anfang sein. Das Unternehmen rechnet damit, dass andere Bereiche zeitnah in Angriff genommen werden, erklärt der Projektverantwortliche. Bis Ende 2027 soll die gesamte Transformation abgeschlossen sein, mit einer Gesamtflächenreduzierung von 37 Prozent.
Dabei geht es längst um mehr als nur Effizienzsteigerung. Das Spannende in der Zusammenarbeit sei, dass sich immer neue Ideen entwickelten. Es soll nicht nur eine reine Beratung sein, sondern es geht darum, diese Fähigkeiten und Herangehensweisen auf die betriebseigenen Ingenieure und Führungskräfte zu übertragen. Mit einer Ingenieurin aus der Montage hat das Unternehmen bereits eine interne Expertin aufgebaut, die künftige Projekte eigenständig leiten soll.
Nachhaltiger Erfolg durch Empowerment
Helena Reichmann bringt die Staufen-Philosophie auf den Punkt: „Mein Team arbeitet so, dass es irgendwann überflüssig wird.“ Der Erfolg gibt diesem Ansatz recht: Aus einem gemächlichen, etwas verschlafenen Standort ist ein Lean-Vorreiter im Konzern geworden, der beweist, dass mit der richtigen Herangehensweise auch skeptische Belegschaften zu begeisterten Lean-Fans werden können.
Der Projektverantwortliche fasst die Transformation treffend zusammen, wenn er sagt, die Staufen-Kultur wirke so, dass wirklich jede Ebene im Unternehmen abgeholt werde – vom Vice President bis auf die Montage-Ebene, wo die Wertschöpfung letztendlich stattfinde. Da werde eine Sprache gesprochen, und das sei wirklich beeindruckend.

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