Staufen magazine 2025 MAN

Agile Teams bei MAN Truck & Bus

"Wer loslassen kann, bekommt mehr zurück“
Mitarbeitende Weltweit33.000+
MRD. € UMSATZ14,8
PRODUKTPORTFOLIOTransporter, Lkw, Busse, Diesel- und Gasmotoren sowie Dienstleistungen rund um Personenbeförderung und Gütertransport

Ein Pilotprojekt bei MAN Truck & Bus bricht mit alten Mustern und setzt neue Maßstäbe. Unterstützt von Staufen, part of Accenture, verabschiedet sich der Hersteller am Standort Salzgitter von der klassischen Problemlösung in Fachsilos.

Stattdessen setzen interdisziplinäre Teams in Eigenverantwortung täglich konkrete Verbesserungen um. Dennis Wrobel, Abteilungsleiter Achsmontage MAN & Scania, erzählt im Interview, wie dieser Wandel zu 15 Prozent mehr Output, Einsparungen im sechsstelligen Bereich und einer neuen Kultur der Verantwortung geführt hat.

Interview mit Herr Wrobel, Leitung Achsmontage, MAN Truck & Bus SE

Herr Wrobel, welche Herausforderungen haben Sie dazu bewogen, auf agile Entwicklungsteams zu setzen?

„Eine unserer Montagelinien erreichte nicht stabil die notwendige, geplante Ausbringungsleistung. Trotz zahlreicher Analysen in den Fachabteilungen blieb das Problem ungelöst – jeder hatte eine andere Erklärung, aber keine funktionierende Lösung. Die Linie lieferte weiter nicht den Kundenbedarf, was wiederum zu Sonderschichten und Unruhe führte. Parallel dazu kämpften wir nach der Inbetriebnahme einer neuen automatisierten Montageanlage mit der Qualität. In beiden Fällen waren die Verantwortlichkeiten oft unklar, eine frustrierende Situation für alle Beteiligten.“

Sie hatten also eher ein Umsetzungs- denn ein Erkenntnisproblem?

„Richtig, daher entschieden wir uns gegen einen klassischen kaskadenbasierten Lösungsansatz und für agile Problemlösungsteams. Wir bildeten also kleine, interdisziplinäre Teams – immer mit mindestens einem Meister vom Shopfloor als Teammitglied – und gaben ihnen jeweils ein klares Problem, das sie eigenständig lösen sollten. Bis auf die Ansage, die dafür täglich frei gehaltenen Zeitfenster auch wirklich zu nutzen, hatten die Teams große Freiräume und kaum methodische Vorgaben, um an den Lösungen zu arbeiten. In wöchentlichen 15-minütigen Stand-ups diskutierten wir dann mit allen Teammoderatoren die jeweiligen Ergebnisse und Fortschritte. Das war hocheffektiv und unbürokratisch.“

Dennis Wrobel, Leitung Achsmontage, MAN Truck & Bus SE

Zur Person

Dennis Wrobel ist am Standort Salzgitter Abteilungsleiter Achsmontage. Der diplomierte Maschinenbauingenieur ist seit mehr als 20 Jahren für MAN Truck & Bus tätig (u. a. auch in internationalen Projekten). Leadership Management und Lean Transformation bilden das Fundament seiner täglichen Arbeit und auch außerhalb. Um das Thema ganzheitliches Produktionssystem zu fördern, engagiert er sich im VDI.

Wie konnte verhindert werden, dass die Teams nur an Symptomen arbeiteten, statt nachhaltige Lösungen zu finden?

„Unser Prinzip war einfach, aber effektiv: ein Problem, eine Maßnahme. Erst wenn wir eine umgesetzte Maßnahme ausgewertet hatten und es funktionierte, setzten wir eine weitere Maßnahme um. Diese Erfolgserlebnisse haben das Team immer wieder motiviert. Entscheidend war auch die Nutzung der A3-Methode zur strukturierten Problemlösung. Es hat zwar eine Weile gedauert, bis alle Kolleginnen und Kollegen das Konzept verinnerlicht hatten, aber dann wurde sehr konzentriert gearbeitet. Wir förderten bewusst den Mut zum Experimentieren – mit klaren Leitplanken: Sicherheit, Qualität und Lieferperformance durften nicht gefährdet werden. Bei Misserfolgen wurde nicht das Management, sondern das Team selbst aktiv, hinterfragte Maßnahmen, passte sie an oder verwarf sie.“

Gab es bei so viel Veränderung gar keinen Widerstand?

„Erstaunlicherweise kaum. Viele waren erleichtert, endlich konkret etwas verändern zu können. Entscheidend war, ihnen täglich einen definierten, ungestörten Freiraum zur Problemlösung zu geben – und gleichzeitig immer Ansprechpersonen zur Unterstützung bereitzuhalten.“

Was waren die greifbarsten Erfolge?

„Wir haben die agilen Problemlösungsteams in der Achsenproduktion eingesetzt. Dort ist der Output einer Montagelinie stabil um 15 Prozent gestiegen. Damit ist die Fertigung wesentlich effizienter geworden. Ebenso positiv ist, dass wir eine bessere Planbarkeit erreicht haben. Produktionsschwankungen und Störungen konnten eliminiert werden. Natürlich gibt es vereinzelt noch Lücken, aber es herrscht viel mehr Stabilität, Vertrauen und Ruhe im Team. In einem anderen Fall konnten wir durch agile Teamarbeit eine komplette Linie innerhalb von vier Monaten verlagern – ohne vorher Budget und Weg zu kennen. Am Ende haben wir hier eine Einsparung von rund 250.000 Euro pro Jahr erzielt und die Durchlaufzeit des Produkts um acht Stunden verkürzt. In einem dritten Fall wurde durch eine A3-Analyse ein Konstruktionsfehler aufgedeckt, der zuvor immer wieder für Stillstände gesorgt hatte.“

Es geht nicht darum, immer die Lösung sofort parat zu haben. Entscheidend ist, dem Team Zeit, Raum und Vertrauen zu geben. Einen stabilen Rahmen, in dem experimentiert und gearbeitet werden kann. Genau das hat Dennis Wrobel gemeinsam mit seinem Team vorbildlich verwirklicht: Leitplanken setzen und den Mitarbeitenden Luft für ihre Lösungen lassen.“
Marco Pett
Senior Expert, Staufen, part of Accenture

Welche Rolle nehmen Sie selbst heute als Führungskraft ein und welche Learnings nehmen Sie aus dem Projekt mit?

„Ich gebe den Rahmen vor, nicht die Lösung. Meine Aufgabe ist es, wöchentlich mit den Teamleitern zu sprechen, zuzuhören, die richtigen Fragen zu stellen und Unterstützung anzubieten – mehr braucht es oft nicht. Die Teams agieren inzwischen selbstbewusst, arbeiten fokussiert und eskalieren nur, wenn es wirklich nötig ist. Die wichtigste Erkenntnis: Gute Leute lösen Probleme, wenn man sie lässt. Jeder hat ein natürliches Interesse daran, Herausforderungen zu meistern – denn Misserfolge und ungelöste Probleme nerven jeden. Scheitern muss erlaubt sein, solange man daraus lernt. Die Basis dafür ist Vertrauen in die Mitarbeitenden. Und vielleicht das Faszinierendste: Sobald Teams Erfolge erlebt haben, sind sie hungrig auf den nächsten Schritt.“

Was können andere Unternehmen von diesem Projekt lernen?

Erstens: Ein klar definiertes Problem ist der halbe Weg zur Lösung. Nehmen Sie sich Zeit, um herauszufinden, worum es wirklich geht – diese Präzision zahlt sich aus.

Zweitens: Investieren Sie Zeit und seien Sie ein verlässlicher Ansprechpartner. Signalisieren Sie, dass Sie für das Thema immer erreichbar sind – wie über ein „rotes Telefon“. Machen Sie deutlich: „Wenn ihr nicht weiterkommt, bin ich da und wir besprechen gemeinsam die nächsten Schritte.“ Sich für die Problemlösung Zeit zu nehmen, ist keine Verschwendung, sondern eine Investition.

Drittens: Akzeptieren Sie, dass Scheitern eine Option ist. Dazu gehört auch das Vertrauen ins Team: Wer loslassen kann, bekommt mehr zurück. Die wahren Experten und Expertinnen arbeiten auf dem Shopfloor – man muss sie nur machen lassen.

Über MAN Truck & Bus SE

MAN Truck & Bus SE ist einer der führenden europäischen Nutzfahrzeughersteller und Anbieter von Transportlösungen mit zuletzt jährlich rund 14,8 Milliarden Euro Umsatz. Das Produktportfolio umfasst Transporter, Lkw, Busse, Diesel- und Gasmotoren sowie Dienstleistungen rund um Personenbeförderung und Gütertransport. MAN Truck & Bus SE beschäftigt weltweit ca. 33 000 Mitarbeitende.

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