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Gehört agilen Unternehmen die Zukunft?

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Mai 4, 2021 | Leadership und Organisationsentwicklung

Das Wort Agilität ist in aller Munde und wird zwischendurch bereits wieder als Buzz-Word abgetan. Von vielen wird es allerdings weiterhin als „Allheilmittel“ beworben. Was genau verbirgt sich hinter dem Begriff und wie wird das Thema von der Staufen AG interpretiert und in der Praxis umgesetzt?

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Herr Haug, was versteht man unter einem agilen Unternehmen?

Ganz grundsätzlich versteht man unter Agilität im Beratungskontext die Wandlungsfähigkeit von Unternehmen und wie schnell auf Markterfordernisse und Umweltfaktoren reagiert werden kann. Um die Frage umfassender zu beantworten, würde ich gerne mit einer Erläuterung unseres Verständnisses von Agilität einsteigen.

Generell unterscheiden wir zwischen methodischer Agilität und struktureller Agilität und natürlich betrachten wir auch das Thema Unternehmenskultur bzw. die kulturelle Agilität. Methoden, Werkzeuge und Rollen helfen, schneller und dynamischer reagieren zu können. Sie passen nahezu in jeden Kontext und sind deshalb oftmals auch der erste Schritt, wenn sich Unternehmen mit Agilität auseinandersetzen. Dazu benötigt man ein visuelles Management mit bspw. Kanban-Boards, Frameworks wie Scrum, kurzzyklische Abstimmungen/Feedbackloops mit Kunden etc.

Ob sich ein Unternehmen jedoch auch organisatorisch auf die Reise machen sollte, hängt stark von seinem Umfeld ab und natürlich auch von der „Reife“ des Unternehmens; hierzu setzen wir bei Staufen ein Analyseformat ein, um den Transformationsbedarf bestimmen zu können.

Ein Unternehmen wird auch nicht dadurch agil, dass Methoden eingeführt werden und die bestehende Hierarchie in eine Netzwerkorganisation überführt wird; tatsächliche Agilität bedarf einer kulturellen Veränderung, denn die Werte, Fähigkeiten und das auf dieser Basis gezeigte Verhalten von Menschen leisten auf diesem Weg den wichtigsten Beitrag.

Wieso ist es heute wichtiger denn je, sich als etabliertes Unternehmen mit Agilität zu beschäftigen?

Unternehmen entwickeln sich über die Zeit. Ein frisch gegründetes Unternehmen hat meistens einen überschaubaren Personalstamm, flache Hierarchien, einfache Prozesse und ist grundsätzlich reaktionsschnell und auch wandlungsfähig. Je länger ein Unternehmen am Markt ist, je größer es wird, umso „schwerfälliger“ wird es; Prozesse und Strukturen werden komplizierter, die Reaktionsfähigkeit lässt nach.

In den vergangenen Jahren hat sich das Marktumfeld extrem verändert. Durch die Globalisierung, disruptive Wettbewerber, neue Technologien sowie eine zunehmend geforderte Diversifizierung aufgrund individueller Kundenbedürfnisse sind die Rahmenbedingungen für Unternehmen komplexer und unübersichtlicher geworden. Das Kunstwort VUKA beschreibt diesen Zustand und steht für Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambivalenz/Ambiguität.

Viele Unternehmen sind noch nicht agil genug, um auf ständig sich verändernde Parameter adäquat zu reagieren oder sie sogar zu antizipieren. Agilität in Gänze macht Unternehmen wieder reaktionsfähig, damit sie in der VUKA-Welt bestehen können; dazu werden bestehende Prozesse und Strukturen infrage gestellt. Die bisherigen Denk- und Wertemodelle helfen dabei leider nicht weiter.

Unsere Definition von unternehmerischer Agilität ist deshalb folgende: Ein agiles Unternehmen ist in der Lage, Veränderungen frühzeitig zu erkennen, sich jederzeit, unter Berücksichtigung seiner eigenen Bedürfnisse, schnell an die Gegebenheiten anzupassen und die jeweils effektivste und effizienteste Organisationsform zu entwickeln.

Unternehmen müssen sich also permanent an neue Gegebenheiten anpassen? Gibt es keine Stabilität mehr?

Organisationen sind soziale Systeme, die sich permanent selbst erneuern. Wie in jedem anderen Unternehmen auch geben Strategien, Prozesse, Strukturen und besonders die Unternehmenskultur in agilen Unternehmen die erforderliche Stabilität. Sie steuern formell, oder auch informell, wie das Geschäft abläuft, wie Entscheidungsprozesse stattfinden, wie Informationen fließen … Um nun aber die notwendige Flexibilität für das Überleben im komplexen Umfeld zu haben, müssen diese Dimensionen auch auf den jeweiligen Geschäftsvorfall ausgerichtet sein; das heißt im weitesten Sinne, dass die Strukturen eines Unternehmens, wie beispielsweise die Aufbauorganisation, nicht als starr und gegeben verstanden werden, sondern atmen und sich ständig anpassen.

Dass sich also interdisziplinäre Teams bilden können, die im Idealfall selbstorgansiert arbeiten. Selbstorganisation bedeutet dabei, Entscheidungen in den jeweiligen Teams zu treffen, ohne lange hierarchische Wege. Mit permanenter Anpassung ist auch gemeint, dass Teams vielleicht nur temporär bestehen, sich Mitarbeiter und Führungskräfte demnach nicht immer in denselben Rollen und im selben Umfeld bewegen.

Aber natürlich sind auch agile Unternehmen „stabil“. Der Begriff Stabilität wird nur etwas anders formuliert als in traditionellen Unternehmen. Bei einem agilen Unternehmen ist die Ausrichtung auf einen gemeinsamen Zweck und auf den Kunden das wichtigste Ordnungsprinzip, die das gemeinsame Handeln aller im Unternehmen in einen größeren Kontext stellt und dadurch eine zusätzliche emotional aktivierende Wirkung entfaltet.

Was sind die vorhin angesprochenen Unterschiede zwischen methodischer, struktureller und kultureller Agilität? Und wie geht Staufen vor, um Unternehmen „agiler“ zu machen

Die Einführung von visuellem Management und die dazugehörigen Frameworks Scrum, Shopfloor Management oder Kanban verschaffen Transparenz im Projekt- bzw. Prozessfortschritt. Dabei erhält man etwas Greifbares und damit kann der Veränderungsprozess hin zu einem agilen Unternehmen unterstützt werden. Hier sprechen wir dann von methodischer Agilität: Insbesondere die Boards sowie andere Instrumente, Rollen, Artefakte und Ereignisse stellen den sichtbaren Teil der Veränderung dar. Dieses Sichtbare wird als „Doing Agile“ bezeichnet und ist meist der erste Schritt auf der Reise zu einem agilen Unternehmen. Mit „Doing Agile“ wird die Klarheit und die Transparenz sowie die zielgerichtete Kommunikation erhöht und dadurch wird die Leistungsfähigkeit eines Teams und einer Organisation gesteigert.

Die strukturelle Agilität formalisiert die agile Arbeitsweise und regelt, wie alles ineinandergreift und was möglich ist. Hierzu zählen unter anderem Entscheidungskompetenzen und Rollenbeschreibungen. Es ist ein Trugschluss zu denken, dass eine agile Organisation ohne Prinzipien, Regeln und klare Verantwortlichkeiten ihre Wirkung entfalten kann. Außerdem muss nicht das ganze Unternehmen in agilen Strukturen beschrieben werden, vielmehr entwickeln wir in unserer Praxis auch agile Organisationseinheiten in klassisch-hierarchischen Unternehmen und erschaffen sogenannte hybride Betriebssysteme.

Viele Unternehmen stellen fest, dass sie mit der Einführung agiler Methoden, Werkzeuge und Strukturen nicht die erwartete Leistungsfähigkeit der Organisation entfalten können. Was in vielen Fällen fehlt, ist kulturelle Agilität, sprich eine angemessene Haltung sowie die innere Ausrichtung des Unternehmens, frei nach dem Leitgedanken „Haltung schlägt Methode“. Die agilen Werte Transparenz, Kooperation und Kundenorientierung beeinflussen das Verhalten der Organisationsmitglieder und bilden eine gelebte Unternehmenskultur, die den Unterschied ausmacht. Im Umgang miteinander gewinnen zusätzliche Fähigkeiten an Bedeutung, z. B. Kommunikations- und Konfliktfähigkeit, Selbststeuerung sowie die Fähigkeit, Rückmeldungen zu geben und entgegenzunehmen.

„Being Agile“ beschreibt das volle Potenzial der Leistungsfähigkeit einer Organisation, die methodische, strukturelle und kulturelle Agilität verbindet und lebt.

Wie läuft eine agile Transformation ab?

Um ein agiles Unternehmen zu entwickeln und umzusetzen, ist ein Transformationsprozess notwendig. Dafür sind bestimmte Rahmenbedingungen nötig, vergleichbar mit denen anderer erfolgreicher Veränderungsvorhaben. Gerade wenn mit einzelnen Pilotbereichen gestartet wird („agiles Biotop“), sind diese Rahmenbedingungen kritisch für das Gelingen der Transformation (z. B. Zeit, Kapazitäten, Lernschutz etc.). Denn auch agile Organisationen sind – wie jede neu konzipierte Organisation – zunächst einmal zerbrechlich und müssen ihre Vorteile und ihren Nutzen gegenüber dem alten System erst beweisen.

Die Staufen AG verfolgt deshalb in jedem Transformationsprozess einen integrierten Beratungsansatz, in dem wir relevantes Fachwissen kombinieren mit unserer Kompetenz in der Ausgestaltung von kulturell-systemischen Interventionen.

Wie sieht Führung in der agilen Welt aus?

Im Gegensatz zur heroischen Führung, bei der die Führungskraft allein die Richtung vorgibt und die Umsetzung durch Command-and-Control sicherstellt, ist Führung in agilen Organisationen nicht mehr an eine Person geknüpft. Vielmehr wird Führung als Team-Zusammenspiel verstanden, bei dem die Führung mit einer Rolle verbunden ist und kontextabhängig von unterschiedlichen Personen übernommen werden kann.

Diese Person rückt mit ihren Fähigkeiten und Talenten in den Mittelpunkt. Daher kann in bestimmten Kontexten jeder Mitarbeiter die Rolle einer Führungskraft im Team einnehmen. In anderen Situationen wiederum kann er als Fachexperte und Spezialist gefragt sein. Das setzt allerdings eine ausgeprägte kommunikative Kompetenz, Flexibilität und ein erweitertes Rollenverständnis bei den beteiligten Personen voraus.

Agile Selbstorganisation schafft Rahmenbedingungen, um Unternehmertum im Unternehmen zu fördern und über eine sinnstiftende Kultur für mehr Verantwortungs- und Handlungsbereitschaft zu sorgen. Um eine solche Kultur zu fördern, agieren die klassischen Führungspersonen mehr als Coach und Sparringspartner im Sinne von Befähigung und Unterstützung der Mitarbeiter.

Relativ prägnant bringt dies MIT-Professor Ed Schein, einer der Väter der Organisationspsychologie und der Organisationsentwicklung, auf den Punkt: „In einer immer komplexer werdenden Welt wissen Führungskräfte einfach nicht genug, um allein zu entscheiden, was neu und besser ist. Führung ist deshalb ein Teamsport.“

Host

Dr. Thilo Greshake, Partner Automotive, STAUFEN.AG
ist promovierter Maschinenbauer und seit 2017 bei der Staufen AG tätig.
Mit über 15 Jahren internationaler Beratungserfahrung in Lean Development, Engineering und Process Excellence verantwortet er als Partner den Bereich Automotive.

Gast

Jan Haug, Partner, STAUFEN.AG

Jan Haug ist studierter Wirtschaftsingenieur und seit 13 Jahren Berater bei der Staufen AG. Als Leiter der Unit Lean Development beschäftigt er sich seit Jahren gemeinsam mit seinem Team auch mit dem Thema Agilität und wie es sich erfolgreich in klassische Unternehmensstrukturen implementieren lässt.

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