Interview mit GEA-Vorstand Johannes Giloth

„Die Innovationskraft des Heimatmarkts mit der Fähigkeit zur Anpassung an die globalen Märkte verbinden“

Die GEA Group hat einen bemerkenswerten Turnaround geschafft und treibt ihre internationale Positionierung voran. Das bedeutet: stärkere Vernetzung aller Beteiligten, Abschied von traditionellem Denken und klare Fokussierung auf den Kunden. Vorstandsmitglied und COO Johannes Giloth erläutert im Interview, welche Faktoren für den Erfolg maßgeblich waren und warum eine konsequente Lokalisierung entlang der gesamten Wertschöpfungskette immer wichtiger wird. 

Herr Giloth, GEA hat einen beeindruckenden Wandel vollzogen und ist wieder hochprofitabel. Wie hat das Unternehmen die Wende geschafft? 

GEA befand sich 2019/2020 in einer schweren Krise: Sieben Gewinnwarnungen in Folge, der Kapitalmarkt hatte das Vertrauen verloren. 2020 hat unser Vorstand unter dem Vorsitz von Stefan Klebert begonnen, das Unternehmen neu auszurichten. Im Fokus standen zunächst die Steigerung der Profitabilität sowie die Stabilisierung des Unternehmens. Ein wichtiger Schritt war der Wechsel von einer funktionalen hin zu einer divisionalen, nach Technologien aufgestellten Organisation mit klaren Verantwortlichkeiten. Mit der auf fünf Jahre angelegten Strategie „Mission 26“ haben wir dann einen Rahmen mit sieben strategischen Hebeln definiert, anhand derer wir das Unternehmen voranbringen wollten, zum Beispiel Sales Excellence oder Operational Excellence. Unser Ziel war es, bis 2026 eine bestimmte Profitabilität zu erreichen – das haben wir bereits 2024 geschafft. Aufbauend auf diesen Erfahrungen haben wir dann die „Mission 30“ ins Leben gerufen, um unsere Leistung bis 2030 auf ein neues Niveau zu heben. 

Warum ist es trotz dieses Erfolgs wichtig, sich immer wieder neu zu erfinden? 

Der Blick in den Rückspiegel, um die Zukunft vorherzusagen, funktioniert selten. Wichtiger ist es, anders zu denken, anders zu handeln, sich selbst zu hinterfragen. Im Rahmen der „Mission 26“ haben wir den Grundstein gelegt und einzelne Funktionen optimiert, zum Beispiel die Produktion effizienter gestaltet. Jetzt müssen wir darüber hinausgehen und an funktionsübergreifenden End-to-End-Prozessen arbeiten. Das erfordert eine andere Art der Zusammenarbeit. Ein Beispiel: Im Bereich Operations geht es nicht mehr nur um den Einkauf, sondern um eine enge Verzahnung von Einkauf, Produktion und Engineering. Diese neue End-to-End-Betrachtung hilft, gemeinsam Mehrwert zu schaffen – das ist der Kern der „Mission 30“. Nur wenn wir die funktionalen Silos verlassen, können wir die Prozesse entlang der Wertschöpfungsketten durchgängig betrachten und auch unsere Lieferanten und Kunden einbeziehen. 

Wie motivieren Sie Ihre Mitarbeitenden, alte Denkmuster zu durchbrechen? 

Die Welt verändert sich und verlangt nach Anpassung. Was passiert, wenn junge, innovative Wettbewerber ignoriert werden, kann man in Branchen wie der Telekommunikation oder der Automobilindustrie beobachten. Gerade der deutsche Maschinenbau ist daher gut beraten, sich zu öffnen. Bei GEA beobachten wir aufstrebende Märkte und Wettbewerber sehr genau und stellen uns auf neue Anforderungen ein. Es hat ein Kulturwandel eingesetzt, bei dem es darauf ankommt, schnell zu sein und den Markt zu verstehen. Lokalisierung ist hier das Stichwort: Wir adressieren auch kundenspezifische Märkte. Rund 25 Prozent unserer Wertschöpfung findet heute in Indien und China statt. Um unsere Wachstumsziele zu erreichen, müssen wir also auch nach Asien und in die USA schauen. Dafür brauchen wir außerdem neue Produkte. All das sind ehrgeizige Ziele, aber nur ehrgeizige Pläne setzen Kreativität frei. 

GEA Brauhaus
GEA Fermentationstanks, GEA Fermentation tanks
GEA Fermentation tanks
GEA Dairy processing plant, GEA Milchverarbeitungsanlage
GEA Milchverarbeitungsanlage

Wie bringt GEA Nachhaltigkeit und Wachstum zusammen? 

Nachhaltigkeit ist ein Eckpfeiler unserer Wachstumsstrategie. Unsere Aktionärinnen und Aktionäre unterstützen diesen Kurs und haben in einer wegweisenden Abstimmung unserem Klimaschutzplan 2040 mit überwältigender Mehrheit zugestimmt. Damit ist GEA das erste DAX-Unternehmen überhaupt, das die Zustimmung des Kapitalmarkts für eine Netto-Null-Transformation erhalten hat. Nachhaltigkeit ist bei uns auch in den Engineering-Prozessen verankert. Jeder Ingenieur, jede Ingenieurin muss das Thema Nachhaltigkeit in der täglichen Arbeit berücksichtigen. Was das in Zahlen bedeutet, steht ganz genau in unserem „M30 Green Sales Commitment“: Bis 2030 sollen mehr als 60 Prozent unseres Umsatzes mit nachhaltigen Lösungen erwirtschaftet werden. Wachstum und Nachhaltigkeit sind für uns zwei Seiten derselben Medaille. 

Wie binden Sie Ihre Lieferanten in diese Strategie ein, insbesondere im Hinblick auf Nachhaltigkeit? 

Unsere Lieferanten spielen eine Schlüsselrolle. Jeder Lieferant muss sich bei EcoVadis zertifizieren lassen und unseren Code of Conduct für Nachhaltigkeit unterzeichnen. Zudem müssen die Lieferanten selbst Science-Based-Targets-initiative-(SBTi-)validierte Nachhaltigkeitsziele verfolgen. Co-Ideation und Co-Creation sind weitere zentrale Ansätze, auf deren Grundlage wir gemeinsam an den Produkten der Zukunft arbeiten, um unsere Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Diese engere Zusammenarbeit mit den Lieferanten ist entscheidend, denn nur so können wir Schnelligkeit und Know-how in der richtigen Kombination zusammenbringen. 

GEA Packaging system, GEA Verpackungssystem
GEA Verpackungssystem
GEA Packaging system, GEA Verpackungssystem
GEA Verpackungssystem
GEA Brewhouse, GEA Brauhaus
GEA Brauhaus

Welche Rolle spielen neue Technologien wie künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen? 

KI und maschinelles Lernen treiben sowohl externe als auch interne Prozesse voran. KI-gestützte Anwendungen nutzen wir beispielsweise für Predictive-Maintenance-Zwecke, um die Wartungskosten für unsere Kunden zu optimieren. Nach innen geblickt, hilft uns KI dabei, Prozesse und Verwaltungskosten zu senken. Robotic Process Automation und Big Data steigern die Effizienz – eine entscheidende Grundlage für die „Mission 30“. 

Wie kann sich die deutsche Industrie – insbesondere der Maschinenbau – im internationalen Wettbewerb behaupten? 

Die Herausforderungen sind unbestreitbar, aber: Wachstum ist möglich. Mit der „Mission 30“ streben wir ein jährliches Umsatzwachstum von durchschnittlich 5 Prozent an. Dieses Wachstum wollen wir aber nicht in unseren Stammmärkten in Europa erzielen, sondern in anderen Regionen der Welt. Um in Wachstumsmärkten außerhalb Europas erfolgreich zu sein, müssen Unternehmen ihre eurozentrische Sichtweise aufgeben und ihre Produkte an die lokalen Bedürfnisse anpassen – sowohl in Bezug auf die Kosten als auch in Bezug auf die Funktionalität. Dies erfordert eine konsequente Lokalisierung entlang der gesamten Wertschöpfungskette, vom Einkauf über die Produktion bis zum Engineering. 

Haben Sie ein Beispiel dafür, wo dieser Ansatz bereits erfolgreich war? 

Durch die Anpassung an den indischen Markt konnten wir den Umsatz mit bestimmten Produkten innerhalb von drei Jahren mehr als verdoppeln. Der Schlüssel dazu war, die lokalen Marktbedürfnisse zu verstehen, das Kostenniveau zu treffen und vor Ort zu produzieren. Diesen Weg müssen auch andere Maschinenbauer gehen. Dabei gilt es, das Kerngeschäft nicht aus den Augen zu verlieren, sondern die Kompetenz und Innovationskraft des Heimatmarkts mit der Fähigkeit zur Anpassung an globale Märkte zu verbinden. Das erfordert, ein Stück weit loszulassen, und die Übertragung von Verantwortung an die Teams vor Ort. So kann der deutsche Maschinenbau auch in Zukunft seine Spitzenposition behaupten. 

Johannes Giloth, Vorstand der GEA Group AG als Chief Operating Officer (COO)

Zur Person

Seit 2020 gestaltet Johannes Giloth im Vorstand der GEA Group AG als Chief Operating Officer (COO) die Transformation des weltweit führenden Systemanbieters für die Nahrungsmittel-, Getränke- und Pharmaindustrie. Der 1970 in Worms geborene Wirtschaftsingenieur verantwortet ein eigens geschaffenes Vorstandsressort, das die Bereiche Einkauf, Produktion und Logistik unter einem Dach vereint. Sein Weg führte ihn über namhafte Stationen: Bei Nokia prägte er als Chief Procurement and Chief Supply Chain Officer maßgeblich die digitale Transformation der globalen Einkaufsorganisation. Zuvor sammelte er internationale Führungserfahrung bei Nokia Siemens Networks. Seine Karriere startete der Manager bei den Unternehmensberatungen Siemens Management Consulting und Gemini Consulting. 

Über die GEA Group AG 

Seit ihrer Gründung im Jahr 1881 hat sich die GEA Group zu einem weltweit tätigen Technologiekonzern für die Nahrungsmittelindustrie und angrenzende Branchen entwickelt. In Zahlen: Jede vierte Packung Spaghetti, jedes dritte Hähnchennugget und jeder zweite Liter Bier weltweit werden mit Anlagen und Technologien der GEA hergestellt. Mit über 18.000 Mitarbeitenden in mehr als 150 Ländern erzielte GEA zuletzt ein Umsatz von 5,4 Milliarden Euro. 

1881Gründung
18.000Mitarbeitenden
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