Willkommen in einem fremden Land – Deutschland 2030

Juni 21, 2010 | News Deutschland

Gabor Steingart reist mit 100 Gästen in die Zukunft „Zukunft beginnt jeden Tag – und jeder Tag ist somit ein Abschied“ – mit diesen Worten eröffnete Gabor Steingart, Chefredakteur des Handelsblattes und fünffacher Buchautor, gestern seinen Vortrag im Rahmen der Reihe „Management. Idee und Gestalt“ der Lean-Management-Beratung Staufen AG auf Schloss Köngen. Dieser Abschied von der Welt, wie wir sie kennen – wie vieles ist heute normal, was früher undenkbar war – findet schleichend statt. Um die Zukunft gestalten zu können, müsse man sich ihrer aber bewusst werden, „eine Vorstellung davon haben, wie sie aussieht, wenn alles so bleibt, wie es ist.“ Aber worauf steuern wir zu? „Die Geburtenrate ist drastisch zurückgegangen, vergleicht man sie mit der vor zwei Generationen“, erklärt Steingart. Sie mache nur noch die Hälfte aus. Damit schrumpfe die produktive Energie des Landes stetig – wie in den meisten Ländern der westlichen Welt. Da die Emerging Markets – ehemalige Dritte-Welt-Länder – genau die gegenteilige Entwicklung durchmachen, wird dies bis 2030 zu einer politischen Machtverschiebung führen, die bereits zu spüren ist. Bisher werde darüber aber vor allem in der Politik nicht offen geredet. „Das Selbstbild entspricht nicht mehr der Realität“, so Steingart. Doch es gibt auch Positives: „Wir erleben in Europa gerade die Geburt eines Staatenbundes, der zwar noch nicht perfekt ist, aber Potenzial hat. Und es gibt verschiedene Handlungsmöglichkeiten, unsere Zukunft zu gestalten.“ Basis dieser Handlungsmöglichkeiten: Die produktive Energie eines Landes erhalten, um der Änderung der ökonomischen Verhältnisse entgegen zu wirken. Als erstes wäre es folglich eine Möglichkeit, mehr Kinder zu bekommen, und eine Familienpolitik einzuführen, die dies begünstige. „Das versuchen wir in Deutschland zwar bereits, aber wirklich erfolgreich sind wir damit nicht“, so Steingart. „Frankreich macht das besser.“ Dort habe man es geschafft, die Bevölkerungszahl auf ein konstantes Niveau zu bringen. Eine Alternative zu mehr Kindern wäre „Arbeiten bis zum Umfallen“, also eine Erhöhung der Lebensarbeitszeit, gegebenenfalls durch medizinischen Fortschritt. Allerdings sei hier nicht nur fraglich, ob man körperlich und geistig dazu in der Lage sein wird, länger zu arbeiten, sondern auch, ob Unternehmen bereit sind, beispielsweise 75jährige Arbeiter zu beschäftigen. „In den USA ist das der Fall“, weiß Steingart, der dort drei Jahre als Washington-Korrespondent für den Spiegel arbeitete. Eine dritte Möglichkeit wäre, Deutschland als Einwanderungsland attraktiver zu gestalten – aber dabei Sorge zu tragen, dass die Zuwanderer „in den produk-tiven Kern integriert werden“. Zudem könnte man Frauen stärker in den Wertschöpfungs-prozess einbeziehen. Tendenzen dazu gäbe es im Hinblick auf die aktuelle Diskussion einer Frauenquote in Management-Positionen bereits. Eine andere Handlungsoption sei, für die Zukunft ein finanzielles Polster anzulegen, wie es die skandinavischen Staaten tun. Alternativ könne man den produktiven Kern aber auch durch technologische Entwicklung „mit Kapital aufpumpen“ – also dessen Produktivität steigern, ohne die Kopfzahl erhöhen zu müssen. Laut Steingart schließen sich diese Möglichkeiten gegenseitig natürlich nicht aus. Sie seien Basis einer „Agenda 2030“, einer Debatte dazu, wie wir unter den zukünftig zu erwartenden Begebenheiten in Deutschland leben wollen. Entsprechend stieß er diese auch gleich an und gab den Gästen die Gelegenheit, das Gesagte zu diskutieren – ein Angebot, das diese ausgiebig nutzten und Steingart knapp eine Stunde lang auf den Zahn fühlten. Gelohnt habe sich die Anreise auf jeden Fall, so Michael Schauerte, Geschäftsführer der Leistritz Pumpen GmbH, Nürnberg. „Diesen Weitblick bis 2030 hatte ich in der Form noch nicht – das fand ich sehr interessant. Auch die Handlungsmöglichkeiten waren sehr gut angerissen, insgesamt war das ein sehr informativer Abend.“

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