Getarnt im Status quo

Mit diesen Herausforderungen kämpft die Food- und Beveragebranche! Ein Beitrag von Axel Davila Lage, Dipl.-Wirtschaftsingenieur, Berater in der Lebensmittelindustrie

Pain Points

Jedes erfolgreiche Unternehmen der Food- und Beveragebranche kann mit Stolz auf seine Arbeit blicken, schließlich gelingt es hier Tag für Tag, ein hochwertiges Produkt zu produzieren. Doch gerade diese Expertise kann manchmal als Scheuklappen fungieren, wenn es darum geht, Probleme zu identifizieren. Denn viele typische Herausforderungen in der Food- und Beveragebranche liegen verborgen im anstrengenden Tagesgeschäft und tarnen sich unter der Akzeptanz des Status quo.

Wer es schafft, diese in Angriff zu nehmen, kann sowohl die Flexibilität als auch die Effizienz des Betriebs steigern. Drei dieser sogenannten Pain Points erklären wir jetzt im Einzelnen:

Wenn es um den bestehenden Zustand im Betrieb geht, taucht eine Frage des Öfteren auf: Wenn es doch funktioniert, wieso sollten wir dann etwas ändern? Viele Produktionsabläufe haben sich seit Jahren, wenn nicht gar Jahrzehnten bewährt und werden daher automatisch jeden Tag aufs Neue wieder ausgeführt.

Das ist an sich nicht verkehrt, schließlich gibt es einen Grund dafür, dass das eigene Unternehmen so erfolgreich ist. Doch in einigen Punkten lohnt es sich, dem bekannten englischen Motto nicht zu folgen, sondern sehr wohl auf Veränderungen zu setzen – und zwar dann, wenn es notwendig ist. Klingt einfach, ist aber eine der schwierigsten Herausforderungen für jedes Unternehmen. Denn das bedeutet, dass jeder die eigenen betriebsbedingten Scheuklappen abnimmt und alle Abläufe auf folgende Punkte hin untersucht:

  • Wie kann eine Effizienzsteigerung erreicht werden?
  • Wie können wir Verschwendung vermeiden?
  • Wie lässt sich unsere Wertschöpfung optimieren?

Denn, um bei bewährten Redewendungen zu bleiben, wer nur das macht, was er immer gemacht hat, wird auch das bekommen, was immer herauskommt. Das bedeutet im Gegenzug, dass jeder, der sich traut, auf die vom Markt gewünschten Innovationen mit effektiven Veränderungen zu reagieren, neues Potenzial eröffnen kann.

Jedes Unternehmen in der Lebensmittel- und Getränkebranche produziert Tag für Tag Ausschuss, sprich Lebensmittel, die während der Produktion aufgrund verschiedener Probleme nicht verarbeitet, sondern weggeworfen werden.

Schwer vorstellbar, aber ein Beispiel macht es deutlich: Eine Eismaschine produziert ununterbrochen Eis. Jetzt „klemmt“ die Verpackungsmaschine und muss entstört werden. Die Eismaschine wird dazu jedoch nicht gestoppt, sondern läuft weiter. Da das, qualitativ einwandfreie Eis nicht verpackt werden kann, wird so zum sogenannten „Rework“, das aber in aller Regel nicht mehr verwendet werden kann und landet schlussendlich im Abfall. Diese Arbeitsweise ist alltäglich in vielen Betrieben, unabhängig davon, was diese produzieren. Ausschuss gehört in der Branche zum beruflichen Alltag und Anlageneffizienzen von unter 60% sind keine Seltenheit.

Doch dies birgt ein unglaubliches Potenzial, wenn das Bewusstsein vorhanden ist, dass mit dieser Verschwendung überhaupt ein Problem vorliegt. Denn wer es schafft Verluste zu senken, gewinnt logischerweise mehr Produkte in gleicher Zeit oder mehr Zeit, um andere Produkte zu produzieren.

Doch das ist nicht der einzige Punkt, denn auch das wichtige Thema Nachhaltigkeit sollte im eigenen Firmenleitbild fest integriert sein. Dazu gehört es auch, solch eine Verschwendung nicht zu tolerieren, sondern die Position des innovativen Vorreiters der Branche einzunehmen und diese im Betrieb nicht mehr zu dulden.

Moderne Produktionsstätten sind von Technik geprägt, denn jede Branche braucht spezifische und ausgeklügelte Maschinen, um ihre individuellen Produkte herzustellen. Doch diese Maschinen laufen selten auf volle Kraft, die Gesamtanlageneffektivität liegt des Öfteren unter 60 Prozent. Die Gründe dafür sind vielfältig:

  • ungeplante Maschinenausfälle/Anlagenstörungen
    • verursacht sofort Materialverlust
    • Mitarbeiterkosten steigen, da die nachproduziert werden muss
    • Reparaturkosten
  • Umstellungen/Sortenwechsel
    • Verursacht Kapazitätsverluste
    • verursacht Materialverlust
  • Reinigungen
    • Verursacht Kapazitätsverluste
    • verursacht Materialverlust
  • Mitarbeiter arbeiten nach eigenen Erfahrungswerten
    • Anlagen fahren nicht im optimalen Bereich
    • Umstellungszeiten dauern länger
    • Ungeplante Maschinenausfälle aufgrund Fehlbedienung
    • verursacht schlimmstenfalls Materialverluste

Um diese Unzuverlässigkeit zum Kunden hin abzupuffern, werden teilweise gigantische Fertigwarenlager befüllt, anstatt die individuellen Faktoren für die Gesamtanlageneffektivität zu erforschen.

Food

Der erste Schritt ist gemacht

Diese drei Pain Points sind nur ein paar der typischen Probleme, die ein Unternehmen nach und nach viele kostbare Ressourcen kosten. Daher ist es empfehlenswert, das eigene Problembewusstsein zu schärfen. Denn wie auch in allen anderen Bereichen ist es wichtig, sich einzugestehen, dass ein Problem vorliegt. Nur wer anerkennt, dass im Unternehmen Probleme bestehen, kann diese Herausforderung überhaupt in Angriff nehmen.

Natürlich ist es nur der erste Schritt von vielen, die Pain Points zu identifizieren. Daher werden wir in einem weiteren Blogbeitrag zeigen, welche Voraussetzungen dazu benötigt werden und welche Stolpersteine bei der Umsetzung auftauchen können. Wer die Herausforderungen gezielt angehen möchte, erlernt die dazu nötigen Werkzeuge in praxisnahen Weiterbildungen. Denn wir wollen handfestes Wissen vermitteln und handeln dabei stets nach dem Motto: In jedem Unternehmen steckt ein noch besseres – auch in Ihrem!

Interessiert an der Lebensmittel- & Getränkebranche?

Porträt | Axel Davila Lage

Wirtschaftsingenieur (Fachhochschule, Kiel) | Jahrgang 1976

  • 14 Jahre Lean Erfahrung in der Lebensmittel- und Prozessindustrie
  • Operative Erfahrungen auf Werk- und Unternehmensebene (Nestlé) und in der Implementierung des Exzellenzprogramms
  • Langjährige Beratungserfahrung in der Lebensmittel-, Verpackungs- und Prozessindustrie
  • Zertifizierter Coaching Trainer

Axel Davila Lage ist Dipl.-Wirtschaftsingenieur und seit 2019 als Principal bei der Staufen AG tätig. Zuvor sammelte er zahlreiche berufliche Erfahrungen bei namhaften Betrieben der Food- und Beveragebranche sowie in Beratungshäusern, wie Performance Solutions by Milliken, Nestlé und Efeso.

Seine Kernkompetenzen umfassen:

  • Lean / TPM in der Lebensmittelindustrie
  • Einführung von Produktionssystemen
  • Shopfloor Management
  • Policy Deployment / Hoshin Kanri
  • Coaching
  • Trainer

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