
Restrukturierung vor dem Ernstfall ist die neue Normalität
Restrukturierungs- und Turnaround-Projekte waren bisher immer erst dann gefragt, wenn ein Unternehmen sich bereits in einer negativen Ergebnissituation oder sogar fundamentalen finanziellen Krise befand. Diese Sichtweise greift in Zeiten volatiler Märkte, aggressiver Wettbewerber bzw. Investoren, der Elektrifizierung des Automobils und des digitalen Wandels zu kurz. Denn auch etablierte Unternehmen mit heute noch guter Ertragslage stehen mittlerweile vor der Herausforderung, wie der bestehende Erfolg abgesichert und gleichzeitig der Wandel zu neuen Geschäftsmodellen und -strukturen gemanagt werden kann.
Viele Krisenauslöser sind hausgemacht
Abwarten ist dabei oft der Anfang vom Ende – zumindest auf Unternehmensebene. Und das wissen die meisten Firmenlenker auch, da viele von ihnen selbst schon schmerzhafte Erfahrungen damit gemacht haben: Mehr als 70 Prozent der Top-Manager mussten bereits einmal ein Unternehmen oder einen Unternehmensbereich auf neue Beine stellen. Dies ist eines der Ergebnisse der Staufen-Studie „Restrukturierung“, für die 244 Vorstände und Geschäftsführer befragt wurden.
Der Rückblick auf bewältigte Sanierungen deckt auf, dass Konjunktureinbrüche (33 Prozent) und ein verschärfter Preiskampf (29 Prozent) zu den wichtigsten Gründen für die Schieflagen gehörten, viele Krisenauslöser aber hausgemacht waren. Mangelnde Markt- oder Kundenorientierung (26 Prozent), Managementfehler (25 Prozent), Vertriebsschwäche (22 Prozent) und strategische Fehlentscheidungen (22 Prozent) sorgten für die wirtschaftlichen Probleme. Angesichts dieser Faktoren gehen viele Befragte kritisch mit den aktuell von ihnen geführten Unternehmen ins Gericht. Rund ein Drittel hält das eigene Unternehmen für stark oder sogar sehr stark krisenanfällig. Lediglich ein gutes Fünftel denkt, dass es wenig oder überhaupt nicht von einer Krise betroffen sein könnte.
Unternehmenskultur muss Veränderungsfähigkeit fördern
Befragt man die Vorstände nach den Gründen, nennen sie an erster Stelle Risiken durch eine Monokultur: nämlich die Abhängigkeit von einzelnen Regionen und Märkten (46 Prozent), Abnehmern (39 Prozent) oder Lieferanten (33 Prozent). Besonders schwer hat es in dieser Hinsicht der Maschinen- und Anlagenbau: 65 Prozent der Unternehmen sehen sich auf Einzelmärkte ausgerichtet. Hier zeigt sich der starke Einfluss des Geschäftsmodells vieler Anbieter in diesem Sektor. Entweder fertigen sie im Sondermaschinenbau individuell entwickelte Einzelstücke oder können als Anlagenbauer nur wenige Projekte gleichzeitig bewältigen.
Mentalitätswandel durch Predictive Restructuring
Konjunkturelle Rahmenbedingungen und Branchenspezifika lassen sich zwar nur schwer beeinflussen; doch Unternehmen können trotzdem vorsorgen – durch vorausschauende Restrukturierung.
Ziel ist es, künftig nicht erst auf eine Krise zu reagieren, wenn es eventuell schon zu spät ist, sondern Frühindikatoren rechtzeitig zu erkennen und entsprechend schnell darauf reagieren zu können. Dazu müssen die Unternehmen Restrukturierung breiter und immer in Kombination mit agiler Organisation, Digitalisierung und Leadership Excellence denken. Nur so wird die Nachhaltigkeit im Transformationsprozess gesichert.
Ein ganz entscheidender Punkt: Die Führungs- und Unternehmenskultur muss die Veränderungsfähigkeit in allen Bereichen fördern. Denn eine lernende Organisation kann über ein installiertes Frühwarnsystem Veränderungen antizipieren. Sie ist weniger störanfällig und geht geplanter und vorausschauender mit Krisen um.
